Den Ladys helfen

Bei „Female Flava“ von und für Frauen im HipHop im Bethanien wurde gebreakt, produced und diskutiert. Schade, dass auf dem Podium vor allem männliches Dominanzverhalten erprobt wurde

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Das Team von Female HipHop hat mit der Website www.femalehiphop.net eine Plattform ins Leben gerufen, auf der sich Künstlerinnen aus der HipHop-Szene über ihre Arbeit vernetzen können, auf der man sämtliche Veröffentlichungen zum Thema findet, nützliche Links usw. Am Wochenende rief Female HipHop dann zu „Female Flava“ ins Künstlerhaus Bethanien, zu Workshops, Film, Diskussion und Party.

Seit dem Nachmittag wurden dort Workshops zu MCing, Producen, Breaken, DJing, Writen und Business angeboten, und so drückten sich im Bethanien-Foyer schon am frühen Abend sehr viele Jugendliche und junge Erwachsene herum und warteten auf das weitere Programm. „Bitte nicht taggen“ stand auf den vielen Zetteln, die man vorsorglich entlang den weißen Fluren angebracht hatte. Nach dem Dokumentarfilm „Queens of Hip Hop“ sollten in einer Diskussion die unterschiedlichen Positionen von Frauen im HipHop erörtert werden. Moderator Staiger befragte zum Einstieg den Radio Fritz-DJ Langenfeld, wie viel Platten der habe, ob er eine Frau mit ähnlich großer Plattensammlung kenne – und ob er überhaupt eine Frau kenne, mit der er sich so nerdmäßig über Musik unterhalten könne wie mit ihm. So wurde von Beginn an die Diskussion in Richtung „Frauen interessieren sich halt nicht so für Musik“ gelenkt.

Zwar versuchte der Politologe Albert Scharenberg – sein Thema ist schwarzer Nationalismus in den USA – die Themen „Rollenbilder im HipHop“ und „Wer bestimmt, was HipHop ist?“ einzubringen, er wurde aber grundsätzlich missverstanden oder ignoriert. Die weiblichen Podiumsgäste – Rapperin Pyranha, Bookerin Karin Offenwanger und Moanne 81 von der Breakdance-Crew Dirty Mamas – vertraten die eher antifeministische Linie: Pyranha zufolge sind es die Medien, die immer den Geschlechterunterschied machen, Moanne 81 will durch Qualität überzeugen und Jungs auf keinen Fall ausschließen, alle behaupteten, einfach immer nur das gemacht zu haben, was sie wollten. Sie bestätigten, wie sehr Feminismus bei vielen Musikerinnen noch immer ein Reizwort ist, dass sie sich lieber in einer postfeministischen Ära sehen und zweckutopisch denken: Es sind keine Benachteiligungen zu spüren, Musik hat kein Geschlecht, jeder muss nur sein Ding machen und gut dabei sein.

Warum es dann trotzdem so wenig Frauen in die Öffentlichkeit schaffen? Da wurde bei den Jungs munter drauflos spintisiert: „Frauen im HipHop ahmen Männer zu sehr nach, statt ihr einiges Ding zu machen. Frauen müssten sich mehr als Frauen durchsetzen. Wenn eine Frau Musik macht und Frauen damit nicht erreicht, das heißt, wenn Frauen keine Musik von Frauen kaufen, wer ist dann schuld?“ Breakdancer Vartan gab zu bedenken, HipHop sei halt ein Ego-Ding: Competition, Battle, körperliche Kraft, Sport.

„Und es gibt ja schließlich auch keine gemischten Sportarten außer Tennis-Doppel“ ergänzte der Moderator grinsend. An dieser Stelle hätte sich die geduldige Zuhörerin bereits gerne die Haare vor Verzweiflung büschelweise ausgerissen, aber es wurde noch schlimmer. Besonders, als sich „ein erfahrener HipHop-Veteran“ in die Diskussion einmischte. Er behauptete. seine Beziehung zu Cora E sei an ihrem „Feminismus-Quatsch“ gescheitert. Schließlich gaben die Männer auf dem Panel ganz den Ton an und gaben ein lebendiges Beispiel für männliches Dominanzverhalten ab.

Aber es gab auch positive Ausblicke. Die Workshops am Nachmittag waren gut besucht, bei den jüngeren Teilnehmern gab es keine Geschlechterteilung mehr, erzählte Moanne. Und Pyranha berichtete, dass sie nach jedem Auftritt von Mädchen angesprochen wird, die unbedingt auch rappen wollen.

Als die Runde für das Publikum geöffnet wurde, konnte das Gespräch an Tiefe gewinnen. So wurde zum Beispiel die interessante Frage gestellt, warum ausgerechnet Staiger zum Moderator auserkoren wurde, der Labelchef von Royal Bunker, dem Berliner Label für explizit misogyne, homophobe Lyrics, dessen letzte Veröffentlichung „King Orgasmus One“ heißt und Zeilen wie „Fick mich und halt dein Maul“ enthält. Diese Frage hätte man den Organisatorinnen stellen müssen, aber Staiger verteidigte sich wortreich: Er schreibe ja nicht die Lyrics, schließlich sei er nicht immer der Meinung seiner Rapper und diskutiere durchaus mit ihnen über die krassen Texte. Da aber wurde nachgehakt : „Wenn deine Rappers jetzt Nazis wären und vom Nigger- und Judenklatschen rappen würden, würdest du dann auch sagen: ‚Ja, die rappen das, aber ich diskutiere mit denen und ich gehe ja nicht mit zum Klatschen‘?“ Diese Frage blieb jedoch leider unbeantwortet.

Denn die älteren Boys auf dem Podium beratschlagten lieber gönnerhaft, wie den Ladys denn geholfen werden könnte. Da wurde dann das Theater zur Wirkungsstätte für Female HipHop auserkoren, da gehe es ja auch so künstlerisch zu, das passe doch ohnehin besser zu Frauen. Zum krönenden Abschluss dieser denkwürdigen Diskussionsrunde warf ein Zuschauer ein, Frauen hätten halt andere Ausdrucksformen als Rap, Frauen interessierten sich doch mehr für Fashion und Mode und so.

Man hätte tatsächlich verzweifeln und den Glauben an Musik und Jugendkultur ganz verlieren können, wären sie dann nicht doch einfach da gewesen, die vielen jungen interessierten Mädchen und Frauen, die dann auch zur Party blieben und von denen man erwarten kann, das sie trotz aller Dumpfheit dranbleiben und sich ihren Raum nehmen.