Kalte Füße

Der Bundesrichter und die Fußbodenheizung: Ein merkwürdiger Rechtsstreit ist entbrannt um das Wohnhaus des Architekten Egon Eiermann

Neubau der Berliner Gedächtniskirche, Entwurf für die Kanzlei der deutschen Botschaft in Washington: Mit solchen Gebäuden gelangte Egon Eiermann zu Weltruhm. Ein Werk, das neben der klaren Formensprache des 1970 verstorbenen Architekten auch dessen Lebensstil dokumentiert, ist sein eigenes Wohnhaus, errichtet Anfang der 1960er-Jahre in Baden-Baden. Um diesen Bau tobt seit knapp zwei Jahren ein merkwürdiger Rechtsstreit, der heute in die vermutlich letzte Instanz gehen wird.

Als Kläger tritt vor dem Karlsruher Oberlandesgericht ein bekannter Bundesrichter auf, der das großzügig verglaste, aus zwei Gebäuden bestehende Ensemble im August 2000 erstanden hat, für eine angemessen stattliche Summe. Alles schien in bester Ordnung: die Lage, das Haus, die Innenausstattung. Zu Weihnachten desselben Jahres bekundete der Jurist in einem Brief an den Vorbesitzer seine Zufriedenheit: Den Kauf habe er „noch nie bereut“. Doch zwei frostige Winter später bekam er kalte Füße.

Weil die Fußbodenheizung im Nebenhaus des Gebäude-Ensembles nicht funktioniert, will der Jurist das Anwesen an den Vorbesitzer zurückgeben und außerdem Schadensersatz für die Finanzierung des Hauses haben, das er einst ohne Eigenkapital kaufte. Beim ersten Prozess vor dem Baden-Badener Landgericht, den der Richter gewann, war die Rede von „arglistigem Vorspiegeln einer nicht vorhandenen Eigenschaft“: Die Verkäufer hätten den Defekt der Heizung verschwiegen, behauptet der Kläger. Die Gegenseite bestreitet das, schon deshalb, weil die Objektbeschreibung der zuständigen Maklerin mit dem Hinweis „teilweise Fußbodenheizung“ versehen war.

Ob man im Nebenhaus hat bibbern müssen? Wohl nicht. Die Fußbodenheizung gab schon im Jahr 1995 den Geist auf. Da das Gemäuer aber unter Denkmalschutz steht und man den original vorhandenen Fußboden nicht zertrümmern durfte oder auch nur wollte, wurde eine modernere Radiatorenheizung integriert. In den 60er-Jahren mag eine Fußbodenheizung noch eine Errungenschaft gewesen sein. Heute aber, das ist per Gutachten bestätigt, bedeutet die Radiatorenheizung eine ökologische wie ökonomische Verbesserung. Sowieso drängt sich die Frage auf, was für den jetzigen Besitzer wichtiger ist: Die Heizung im Haus oder das Haus an sich? Offensichtlich die Heizung. Die sei nämlich mitentscheidend gewesen für den Kauf.

Ein possenhafter Wirbel, der um ein renommiertes Architekturdenkmal gemacht wird. Abgesehen davon: Was bedeutet es, wenn die Richter dem Kollegen erneut Recht geben? Können Hauskäufer dann künftig den Vertrag anfechten, wenn sie nach Jahren Mängel entdecken? Das droht teuer zu werden. Gut, dass Eiermann das nicht mehr erlebt.

BORIS ROSENKRANZ