Pekuniär statt prekär

KUNST & KRISE Der Dokumentarfilm „Super Art Market“ des Berliner Regisseurs Zoran Solomun zeigt eine prosperierende Branche im Full Swing

Nein, Schadenfreude ist nicht angebracht: Alle in diesem Film porträtierten Galeristen sind noch im Geschäft, trotz Finanzkrise und deren Auswirkungen auf den Kunstmarkt.

Da kann sich der Berliner Regisseur Zoran Solomun noch so bemühen, in seiner Doku „Super Art Market“ das Kunstgeschäft als große Blenderparade darzustellen, und vor dem Abspann, nach allerhand eitlem Galeristen-Posing und sinnfreiem Künstlertalk, einblenden, nur zur Erinnerung: „Der Kunstmarkt expandierte zwischen 2002 und 2008 wie noch nie zuvor und erreichte zuletzt einen Wert von 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Im Herbst 2008 brach die Finanzkrise aus. Wenige Monate danach schlossen bereits die ersten Galerien in Chelsea.“

Judy Lybke, Leo König, Lorenz Helbling – jene Player des internationalen Kunstmarkts, die Solomun 2007 und 2008 begleiten durfte – haben weiter geöffnet. Dass er sie, zusammen mit Malerstars wie Julian Schnabel oder Martin Eder, vor die Kamera bekam, ist schon eine Leistung. Dass er ihnen zwischen „Art Basel Miami Beach“, „Armory Show“ und „Biennale di Venezia“ auch Statements entlockt, die all jene Vorurteile bestätigen, die man Galeristen und der Kunstkirmes gegenüber hat, ist eine noch größere.

Solomun offenbart in fast jeder Einstellung seines schockierend unterhaltsamen Films, dass er mit einem eher traditionellen, prä-Warhol’schen Kunstbegriff ausgestattet ist. Das kommt „Super Art Market“ aber eher zugute: Der Regisseur hält drauf, wenn im Studio namenlose Helfer eine Affenskulptur fertig basteln, während sich der Künstler vom Galeristen den nächsten Scheck ausstellen lässt. Er lässt sich die Pointe nicht entgehen, wenn das Wachpersonal einer Kunstmesse übermüdet einnickt, während sich der rumänische Start-up-Galerist von einer Sammlerin erklären lässt, was für ein big deal es sei, dass die New York Times am Kunstfreitag mit einem Wandteppich seiner Galerie aufmache – die Lizenz zum Gelddrucken! Und Solomun stellt sie gegenüber: Leo König von Leo Koenig Inc., der grinsend zugibt, sich die Preise für Werke seiner Künstler schon mal aus den Fingern zu saugen, und den alten Mann, der für König Kunstwerke durch Manhattan transportiert und dafür offenbar so fürstlich bezahlt wird, dass sein Laster schon 400.000 Kilometer drauf hat. „Leo ist gut. Er könnte dir ein Stück Schnur verkaufen“, sagt er.

Es geht um Geld, nicht um Positionen, daran lässt „Super Art Market“ keinen Zweifel. Kaum überraschend, dass die Porträtierten fast ausschließlich mit anlagefreundlicher Kitschmalerei oder villenkompatiblen Skulpturen handeln. Was in Zeiten wie diesen mit sperrigeren Ideen – ortsspezifischen Performances zum Beispiel – passiert, fragt sich als einzige Protagonistin die Londoner Galeristin Laura Bartlett. Sie schwärmt von einer japanischen Künstlerin, die ohne Unterlass weißes Papier schneidet, bis der ganze Raum voll mit Schnipseln ist. „So etwas lässt sich natürlich schlecht verkaufen – aber das muss man langfristig sehen“, sagt Bartlett – und wird allein durch diesen Satz zur Lichtgestalt von „Super Art Market“, der ansonsten voll ist von Leuten, die so fertig sind, dass sie nicht merken, wie sie sich vor der Kamera zum Horst machen.

Unschlagbar in dieser Hinsicht: Gerd Harry, genannt Judy Lybke, Animateur, Trödelhändler und Pascha in einer Person. Man sieht den Gründer der Berliner Galerie Eigen + Art, wie er bei einer Vernissage, umringt von Stammsammlern und -sammlerinnen, den Preis eines neuen Bilds des Malers David Schnell mit den Worten erklärt: „Das muss wehtun, sonst ist’s nichts wert.“ Er droht sogar: „Wollt ihr, dass ich das Bild für viel mehr nach Amerika verkaufe? Das ist deutsches Kulturgut!“ Später, vor Solomuns Kamera, sagt derselbe Lybke: „98 Prozent aller Kunst, die du aus einer Galerie rausholst, ist in dem Moment, wo sie aus der Tür raus ist, nichts mehr wert.“ Moralischeren Gemütern mag dies wie der Gipfel des Zynismus erscheinen, doch man ahnt: Wer so drauf ist, übersteht jede Krise. JAN KEDVES

■ „Super Art Market“ (Regie: Zoran Solomun, D 2009, 88 Min.): Premiere am 25. 6. im Arsenal. Ab 2. Juli regulär im Kino