Die homosexuellen Pinguine

Die Pinguine im Zoo von Bremerhaven bleiben schwul – daran änderten weibliche Verlockungen nichts. Warum auch?

In Bremerhavener Zoo am Meer lebt eine kleine Kolonie von Humboldt-Pinguinen (Spheniscus humboldti). Die am pazifischen Saum Südamerikas beheimateten Polarvögel sind sehr selten, weltweit leben nur noch etwa 15.000 Exemplare, und so sorgte man sich in Bremerhaven um Nachwuchs. Doch obwohl drei der fünf Paare sich in ihrem Gehege lustvoll rieben und es trieben – kein Ei.

Eine DNS-Prüfung bestätigte den schlimmen Verdacht: Diese seltsamen Paare waren gleichgeschlechtlicher Art. Schwule Pinguine! Wie sollten da kostbarer Nachwuchs erwachsen? Bremerhavens Zoo fühlte sich herausgefordert und ließ sich aus dem schwedischen Tierpark Kolmarden drei garantiert weibliche Pinguine kommen.

Doch der Akt der Zwangsheterosexualisierung misslang vollständig, das räumt Zoodirektorin Heike Kück ein. Die männlichen Paare ignorierten die Zuchtimporte souverän. „Die Beziehungen waren wohl schon zu fest“, ließ sich die Zoodirektorin vernehmen. Protestmails aus den USA und Österreich unterstellten ihr, sie habe die inkriminierten Paare „kurieren“ wollen: „Nein, das würden wir nie tun wollen“, erklärt Kück: „Wir wollten sie ja nicht quälen, schwule Pinguine sollen doch schwul bleiben, wie sie wollen. Wir wollten nur für Pinguin-Singles ein Angebot machen.“

Tierforscher wissen seit langem, dass Pinguine einander meist treu sind. Vielleicht ist das Experiment auch nichts weiter als ein kurioses Indiz für menschliche Ideologie, mit der Tierisches erklärt werden kann. Denn homo- wie heterosexuelles Verhalten ist unter Tieren weder Sonder- noch Regelfall, sondern immer Laune der Natur, die in sich keinen Sinn birgt – abgesehen von der gegenseitigen seelischen Gewogenheit.

Der US-Biologe Bruce Bagemihl hat in einer Studie („Biological Exuberance“, St. Martin’s Press, 1999) nachgewiesen, dass der biblische Arche-Noah-Kult auch wissenschaftsideologisch unhaltbar ist. Auf dem Schiff der Letzten könnten, so der Biologe, viele schwule und lesbische Paare gewesen sein. Nur der Mensch in seiner Borniertheit wollte in ihnen ausschließlich Gemischtgeschlechtliches sehen. Tatsächlich ist das Sexuelle, so Bagemihl, unter Tieren nichts als eine Frage der Lust – nicht der Fortpflanzung.

Bekannt sind auch Fälle weiblicher Vogelpaare, die sich mit einem funktionalen Seitensprung ein „Kind“ organisieren. Die Spermaspender, so heißt es, die auf ihre Vaterschaft pochten und mitbrüten wollten, wurden rüde des Platzes verwiesen. Zeichen der psychischen, nicht der angeblich natürlichen Disposition. In der Antarktis wurde ein Männerpaar beobachtet, das gemeinsam ein Ei ausbrütete – möglicherweise die Frucht einer Leihmutter. Auch zwei der schwulen Pinguinpaare von Bremerhaven brüten auf einem Stein herum – ein Beweis ihrer väterlichen Gefühle auch ohne echtes Ei.

Und ein weiterer Beweis, dass auch tierische Sexualität jedweder Spielart nicht dem Nachwuchs, sondern, wie beim Menschen, zunächst der eigenen Lust dient. Nützlichkeitsideologien sind Tieren (und Menschen) nicht adäquat. Bagemihl: „Aus der Evolutionstheorie abzuleiten, dass Tiere nach einem Sinn leben, ist falsch. Der Sinn ist, wenn überhaupt, die Liebe und der Sex.“

Bremerhaven: ein ideales Forschungsobjekt für nützliche Gender Studies. JAN FEDDERSEN