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: Es reicht noch nicht für Palästina

Auf dem Nahost-Gipfel haben der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas keine gemeinsame Erklärung über einen Waffenstillstand unterzeichnet. Doch immerhin gaben die beiden Politiker getrennte Erklärungen über einen Gewaltverzicht ab. Das ist nach vier Jahren Intifada und israelischen Militäroperationen ein hoffnungsvolles Zeichen. Nun wird es darauf ankommen, dass die Waffenruhe nicht bei der ersten Provokation gleich wieder zusammenbricht. Dafür zu sorgen wird auch die wichtigste Aufgabe des neuen US-Sicherheitskoordinators für die Region sein.

KOMMENTAR VON BEATE SEEL

Entscheidend wird jedoch sein, ob die Gewaltverzichtserklärungen den Weg zur Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen im Rahmen der Roadmap ebnen werden. Dies ist vor allem für die Palästinenser von größter Wichtigkeit. Denn die Regierung Scharon kann mit dem Istzustand gut leben: einerseits dem Verzicht auf Anschläge in Israel und auf Soldaten und Siedler in den palästinensischen Gebieten, andererseits dem geplanten Abzug aus dem Gaza-Streifen, der gerade auch die Roadmap überflüssig machen sollte. Deswegen ist es ein positives Zeichen, wenn Scharon jetzt die Ankündigung der Waffenruhe als die Umsetzung der ersten Stufe der Roadmap bezeichnet.

Anders als Scharon braucht Abbas hingegen weitere Erfolge. Für die Palästinenser kommt es nun darauf an, dass aus „Gaza first“ nicht „Gaza only“ wird. Die Siedlungs-, die Flüchtlings-, die Hauptstadtfrage, all dies steht weiter auf der palästinensischen Agenda. Insofern bedeutet der Gipfel von Scharm al-Scheich nur die Rückkehr zur Situation vor dem Ausbruch der zweiten Intifada im Herbst 2000. Als neues Problem ist seither noch die Sperrmauer dazugekommen.

Ein israelischer Rückzug aus Städten im Westjordanland, eine Einigung über die Freilassung palästinensischer Häftlinge und der Abbau der zahllosen Kontrollposten im Westjordanland – derartige konkrete Erleichterungen im täglichen Leben werden der palästinensischen Gesellschaft eine Alternative zur Gewalt aufzeigen. Zugleich stärken sie die Position von Präsident Abbas – wenn Scharon gesprächsbereit bleibt.

Die zweite Intifada war auch eine Reaktion auf die vorherige politische Sackgasse; außerdem verlief sie wesentlich gewalttätiger als der erste Aufstand Ende der Achtzigerjahre. Dies sollte allen Beteiligten eine Warnung sein. Viel Zeit bleibt ihnen nicht.