Sam Raimis Höllenfahrt des Kapitalismus

Ein Film zur Zeit: Die Handlung von „Drag Me To Hell“ wirkt wie von den Schlagzeilen zur Immobilienkrise inspiriert. Eine ambitionierte junge Kreditsachbearbeiterin (Alison Lohman) verweigert einer unheimlichen Alten (erhaben geschmacklos: Lorna Raver) die Verlängerung des Darlehens auf ihr Haus. Dafür trifft sie der Fluch der Enteigneten. Buchstäblich: Die Kundin ist Zigeunerin und belegt die Bankerin mit einem Bann – drei Tage sollen sie Geister quälen, dann muss sie zur Hölle fahren.

Tatsächlich hat Regisseur Sam Raimi das Drehbuch zu dieser Horrorkomödie alter Schule vor über einer Dekade ausgeheckt, als er ein aufregender Stilist auf der Suche nach seinem Platz in Hollywoods Studiosystem war. Seither ist er mit der „Spider Man“-Serie auch zum Blockbuster-Lieferanten geworden, „Drag Me To Hell“ ist Raimis Rückkehr zu seinen Genrewurzeln: Seine Karriere begann in den 1980ern mit den „Tanz der Teufel“-Filmen, spottbilligen, aber enorm einfallsreich inszenierten Horrorgrotesken, die wegen ihrer wüsten Splatter-Szenen in Deutschland indiziert wurden. Mit sichtlichem Vergnügen serviert Raimi nun seine antikapitalistische Attacke aus dem Geiste der traditionsreichen „EC Comics“: eine grausame Geschichte mit rabenschwarzer moralischer Pointe. Vielleicht exorziert er auch ein wenig schlechtes Gewissen wegen des anstehenden vierten Teils der Spinnen-Franchise, wenn er seine Heldin hingebungsvoll ausgemalten Peinlichkeiten und Torturen unterwirft. Ah, süße Subversion! Nasenblutfontänen auf Bankformularen oder eine verschluckte Fliege, die zum unpassendsten Zeitpunkt wieder auftaucht: Gern lässt Raimi die virtuos inszenierten, mit konventionellen Schocks garnierten Geisterattacken im gesellschaftlichen Fauxpas enden.

Das Wechselspiel von Horror und Komödie wird immer ungeheuerlicher: Heimkehr zum süßen Kätzchen mit einem Buch über Tieropfer, Amboss-Attacke, satanische Seance mit sprechender Ziege, ein atemloser letzter Akt zwischen nassem Grab und feurigem Finale. Zugleich treibt Raimi ein hintersinniges Wechselspiel mit der Zuschaueridentifikation, lässt die Sympathien für seine Hauptfigur immer wieder ins Gegenteil umschlagen. Großartig das unter Horrorvisionen entgleisende Abendessen bei den Eltern ihres Verlobten, wo sich das Blatt kurz wendet, dank entwaffnender Ehrlichkeit.

Denn „Drag Me To Hell“ ist zwar ein schauerlicher Spaß, aber als alttestamentarische Allegorie todernst: Moral und Kapital vertragen sich nicht. Eigentlich ein zeitloser Film.

CHRISTOPH HUBER

■ „Drag Me To Hell“. Regie: Sam Raimi. Mit Flor de Maria Chahua, Justin Long u. a. USA 2009, 99 Min.