Das Verleihsystem von Bayer Leverkusen: Das Spiel mit den Spielern

24 Spieler sind in der Bundesliga als Leihgaben unterwegs. In Leverkusen betreibt man das Leihgeschäft systematisch – sogar ein eigener Trainer ist dafür abgestellt.

Leverkusener gegen Leverkusener: Jens Hegeler vom 1. FC Nürnberg springt höher als Stefan Reinartz, der auch mal in Franken geparkt wurde. Bild: dpa

Kaum einer hat es bislang so recht bemerkt: Bayer Leverkusen dominiert die Bundesliga auf seine ganz eigene Weise. An diesem Wochenende tritt das Gros ihrer Profis in Mönchengladbach an. Aber auch bei den Begegnungen von Mainz, Freiburg, Nürnberg, Hannover, Kaiserslautern, und St. Pauli ist Bayer Leverkusen mit von der Partie.

Diese Klubs haben sich nämlich allesamt Spieler vom Werksverein geliehen. Sieben Profis hat Leverkusen insgesamt an die Ligakonkurrenten ausgeborgt. So viele wie kein anderer Bundesligist. Weitere zwei sind bei Zweitligisten untergebracht und auf vier Spieler in Liga eins und zwei besitzt Leverkusen eine Rückkaufoption. Nahezu unbeachtet hat sich der Verein aus dem Rheinland eine stille Reserve zugelegt. In den letzten Spielzeiten nahmen die deutschen Klubs vermehrt die Option des Leihgeschäfts wahr. Derzeit sind in der Ersten Bundesliga 24 Leihspieler aktiv.

So systematisch wie Bayer Leverkusen hat sich jedoch bisher noch kein Erstligist diesem Geschäftszweig gewidmet. "Es war eine strategische Entscheidung, die wir vor etwa zweieinhalb Jahren getroffen haben", erklärt Michael Reschke, der Manager von Bayer Leverkusen.

1. Liga: Constant Djakpa (Hannover 96), Jens Hegeler (1. FC Nürnberg), Bastian Oczipka und Richard Sukuta-Pasu (St. Pauli), Zvonko Pamic (SC Freiburg), Thanos Petsos (1. FC Kaiserslautern) Marcel Risse (Mainz 05)

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2. Liga: Hajime Hosogai (FC Augsburg), Oliver Petersch (Rot-Weiß Oberhausen)

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Spieler mit Rückkaufoption: Deniz Naki (St. Pauli), Pierre-Michel Lassogga (Hertha BSC), Sascha Dum (Fortuna Düsseldorf), Nils Texeira (Kickers Offenbach)

Durch die verbesserte Ausbildung in Deutschland gäbe es seit einigen Jahren sehr viele Talente, die schon in sehr jungem Alter sehr weit sind. Da es aber bei einem Spitzenteam wie Bayer Leverkusen schwieriger sei, sich in die erste Elf zu spielen, wolle man mit der Ausleihe den Begabten aus dem Nachwuchs Spielpraxis auf hohem Niveau bei anderen Vereinen ermöglichen.

Warten auf den richtigen Reifegrad

Zum anderen nutzt Leverkusen dieses kostengünstige Vertragsmodell, um auf vielversprechende Fußballer, die man im Ausland entdeckt hat, bei entsprechendem Reifegrad zugreifen zu können. So hat man derzeit den 19-jährigen Kroaten Zvonko Pamic beim SC Freiburg und den 24-jährigen Japaner Hajime Hosogai beim FC Augsburg geparkt.

Mit Argusaugen hält der Verein seine Leihgaben im Blick. Jugendtrainer Dirk Kunert wurde ausschließlich mit der Aufgabe betraut, sich um die Bayer-Spieler in der Fremde zu kümmern. Manchmal besucht er an einem Wochenende bis zu drei Bundesligaspiele. Während seiner Reisen pflegt er nicht nur den Kontakt mit den Bayer-Zöglingen, sondern informiert sich stets bei Trainern und Managern über deren Entwicklungsstand.

Michael Reschke sagt: "Der Austausch mit den Leihvereinen ist gut. Wir wählen diese auch bewusst für unsere Spieler aus, weil wir von deren Ausbildungsarbeit überzeugt sind." Die zusammengetragenen Informationen werden in der Geschäftsstelle des Werksvereins für die mittel- und langfristige Planung dokumentiert.

Bei Bayer Leverkusen wird Reschke unter dem Titel ,Kadermanager' geführt. Dass der 53-Jährige ebenfalls alle zwei Wochen einen seiner Leihspieler begutachtet, zeigt, welch großen Stellenwert sie für den Klub einnehmen. An diesem Wochenende etwa schaut sich Reschke die ehemaligen Leverkusener Jugendspieler Thanos Petsos und Bastian Oczipka an, die mittlerweile bei ihren Leihvereinen Kaiserslautern und St. Pauli Stammspieler sind.

"Kein Verschiebebahnhof"

Aber wie weit kann Bayer Leverkusen mit dem System der Leihspieler gehen? "Eine Quote gibt es nicht. Wir werden uns quantitativ auf keine bestimmte Grenze festlegen", sagt Michael Reschke. Bislang sei es kein Problem, den Überblick zu bewahren. Aber so sehr das Konzept auch durchdacht sei, bleibe jede Ausleihe eine Einzelentscheidung. "Der Spieler muss zustimmen. Das hier ist kein Verschiebebahnhof", betont Reschke.

Beliebig weit ausdehnen lässt sich das Verleihgeschäft schon deshalb nicht, weil andere Bundesligavereine dem Beispiel von Bayer Leverkusen folgen dürften. Der Hamburger SV hat bereits für fünf seiner Nachwuchsspieler bei Zweitligisten einen Zeitvertrag organisiert. Zudem müssen die an Ausleihen interessierten Vereine auf ihre Handlungsfähigkeit achten. "Wenn wir Spieler ohne Kaufoption ausleihen, können wir dies nur in begrenztem Maße tun, da die Werthaltigkeit des Kaders in die Bilanzen mit einfließt", sagt Martin Bader, Manager vom 1. FC Nürnberg. "Mehr als sechs Ausleihen wäre dann schon schwierig."

Grundsätzlich aber halte Bader die Ausleihe für ein probates Mittel, um den Kadern finanzschwächerer Vereine Qualität zuzuführen. "Wichtig ist, dass Nürnberg in der Bundesliga bleibt", sagt er. Das garantiere dem Verein die größten Geldeinnahmen. "Wenn wir dafür Leihspieler benötigen, ist das wichtiger, als nur auf eigene Spieler zu setzten, um Transfererlöse zu erzielen."

Die früheren Vorbehalte, dass es den Leihspielern an der Identifikation mit dem Klub fehle, seien von der Realität überholt. "Breno, der es als Bayern-Spieler in Nürnberg eigentlich nicht leicht hat, war bei uns vergangene Saison der Publikumsliebling." Und der vom Hamburger SV geliehene Eric Choupo-Moting wäre bei den Relegationsspielen gegen Augsburg einer der entscheidenden Spieler gewesen im erfolgreichen Kampf um den Klassenerhalt.

Bader glaubt, dass die Charakterschulung in den Nachwuchszentren der Bundesliga wesentlich dazu beigetragen hat, dass die kleinen Vereine vermehrt auf das Instrument der Ausleihe setzen. Heute würden sich die jungen Spieler nicht zurücknehmen, wenn der Vertrag sowieso ausläuft.

Das Yin und Yang des Fußballs

Hört man Bader und Reschke über das harmonische Geben und Nehmen des Leihgeschäfts reden, über die Win-win-Situation für alle, trotz der gegensätzlichen Ausgangspositionen, dann wirkt es so, als sprächen sie über das Yin und Yang des Fußballs.

Aber natürlich gibt es Interessenkonflikte, bei denen sich der Stärkere ohne viel Federlesens durchsetzt. Als der Leverkusener Stefan Reinartz erstmals beim 1. FC Nürnberg seine außergewöhnlichen Qualitäten unter Beweis stellen konnte, wollte der Klub ihn nach dem Aufstieg unbedingt halten. Und Reinartz selbst wollte unbedingt im Frankenland bleiben, weil er fürchtete, sein Stammverein plane ihn nur als Ersatzmann ein.

Doch Leverkusen beharrte auf seine Rückkehr. "Das war bitter für uns", räumt Bader ein. Michael Reschke wiederum verweist auf den glücklichen Ausgang der Geschichte. Reinartz setzte sich bei Leverkusen durch und wurde Nationalspieler. An Weihnachten, erzählt Reschke, habe er eine SMS von Reinartz bekommen, die den Tenor gehabt habe: "Danke, dass Sie mich zu meinem Glück gezwungen haben."

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