Kochen im Karton

SONNE NUTZEN Schonendes Garen im Solarkocher

VON MANFRED KRIENER

Das Ding sieht aus wie eine Schuhschachtel. Nur der schwarze Anstrich und die Reflektorfolien deuten auf innere Werte hin. Und natürlich der Name: „Kyotobox“. Mit einem Preis von 5 Dollar ist die Kiste hundsbillig und entsprechend einfach konstruiert: Sie besteht aus Karton. Ihr Erfinder, der Norweger Jon Boehmer, hat dafür den mit 75.000 Dollar dotierten Zukunftspreis „Global climate change invention award 2009“ erhalten.

Die Kyotobox ist ein voll funktionsfähiger Solarkocher. Gebaut wird er in Kenia, wo Kartonhersteller mehrere tausend Exemplare pro Woche produzieren können. Der Name soll an das Klimapotenzial des Solarkochers erinnern: Er vermeidet pro Tag und Familie zwei Tonnen Kohlendioxid. „Die Kyotobox wird das Leben von Millionen Menschen verändern“, meinte die Jury.

Böhmer will nicht nur der Umwelt helfen, er will Leben retten. Wenn die deutsche Hausfrau ein Essen zubereitet, holt sie ihre Lebensmittel aus dem Kühlschrank und stellt den Küchenherd an. In vielen Regionen Afrikas und Asiens beginnt ein kilometerlanger Marsch, um Holz, Pflanzenreste und Dung einzusammeln. Etwa zwei Milliarden Menschen verwenden Holz und andere Biobrennstoffe zum Kochen und Heizen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jährlich 1,5 Millionen Menschen an den Folgen des toxischen Rauchs sterben, der am offenen Feuer in den Hütten entsteht.

Dass der Solarkocher nur in Afrika einsatzfähig sein soll, diese Sichtweise bringt Sonnenfreund Ulrich Zimmermann zum Überkochen. Der Frankfurter Pensionär ist ein unermüdlicher Promoter für Solarkocher. Zimmermann will die flotten Kisten nicht in Ouagadougou an die Frau bringen – er sieht das Einsatzgebiet von Solarkochern vor allem in Europa.

Und Zimmermann hat Recht. Es braucht keine brennende Sonne und schon gar nicht 40 Grad im Schatten, um den Solarkocher in Stellung zu bringen. Selbst im deutschen Winter, wenn das Robert-Koch-Institut zur Grippeschutzimpfung ruft, verrichtet er anstandslos seinen Job. Einzige Bedingung: Die Sonne muss so stark scheinen, dass der Finger vor einem Blatt Papier einen klaren Schatten wirft. In ausgedörrten Regionen Afrikas, wo ständig Staub in der Luft liegt, funktioniert der Kocher nicht so gut wie an sonnigen Wintertagen in Castrop-Rauxel.

Spitzenreiter beim Sonnenkochen ist übrigens China, wo eine Million Geräte im Einsatz sind. Den ersten Solarkocher erfand der Schweizer Horace de Saussure. Er bastelte 1767 aus mehreren Lagen Glas und Kork eine Kiste, in der die Temperatur auf 109 Grad stieg. Lege man einen Apfel hinein, notierte der Forscher in seinem Tagebuch, werde dieser gegart. Heute gibt es eine Vielzahl von Solarkochern. Einfachste Konstruktionen wie die Kyotobox, aber auch elegante, zusammenklappbare Geräte oder Luxusmodelle mit nachführbarem Parabolspiegel. Die Funktionsweise ist immer gleich. Sonnenlicht wird eingefangen und gebündelt, auf schwarze Flächen geführt, die sich dabei erhitzen. Eine gute Isolierung mit Dämmmaterial sorgt dafür, dass die Wärme nicht flöten geht. Basta! Zielgruppe sind nicht nur Klimakämpfer, die mit fossilfreiem Kochen ihr Scherflein zur Dekarbonierung beitragen. Es sind auch Gourmets.

Wer jemals eine im Solarkocher zubereitete Mahlzeit gegessen hat, der weiß, warum. Alles wird extrem schonend per Niedrigtemperaturmethode gegart. Um es mit Ulrich Zimmermann zu sagen: „Da bleibt mehr Spargel im Spargel.“ Tatsächlich puscht die langsame Garmethode bei kleinster Wasserzugabe deutlich den Eigengeschmack. Und es brennt nichts an, weil die Hitze immer von oben kommt. Dass der Kochvorgang, je nach Speise, ein bis drei oder – beim Backen von Vollkornbrot – auch mal acht Stunden dauert, daran gewöhnt sich der Sonnenkoch. Er muss ja nicht daneben stehen, er muss nur rechtzeitig loslegen. Was Siebeck für die Niedriggarmethode am Herd empfiehlt, das gilt auch für Kyotoboxen: Braten reinschieben und erst mal ein wenig mit der Nachbarin schmusen.

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■ Buchtipp: Behringer & Götz 2008: „Kochen mit der Sonne“. Ökobuch-Verlag, 88 S., 13,95 €