Von den Vertriebenen vertrieben

Der in der Fachwelt hoch geschätzte Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg wurde von der Landsmannschaft geschasst. Deren Sprecher unterstellt dem Historiker Ronny Kabus „erhebliche Loyalitätsprobleme“

Stein des Anstoßes: Kabus wollte sach- und fachfremde Einflüsse zurückdrängen

von kai Schöneberg

Ist der Bernstein echt oder gefälscht? Was ist mit Kopernikus, Liebermann, Slevogt, Kant, Herder – und natürlich Lenz? Wie war das mit Flucht und Vertreibung der Ostpreußen aus ihrer Heimat nach 1945? Das und noch vieles mehr erfahren pro Jahr 20.000 Besucher im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg, darunter viele Schulklassen. Er habe versucht, das „Vertriebenen-Image“ vom Haus abzustreifen und es zu einem „normalen Museum“ zu entwickeln, sagt Ronny Kabus, der 14 Jahre Direktor der Einrichtung war.

Das war wohl nicht allen genehm. Früher hatte es in Lüneburg Demonstrationen gegen das Ostpreußen-Haus gegeben. Heute stellt sich eine breite Front aus Lokal- und Landespolitikern hinter Kabus. Museums-Experten lobten sein Konzept, die 27 Mitarbeiter zeigten sich zuletzt öffentlich „entsetzt“ über die fristlose Kündigung, die ihrem Direktor mitten im Weihnachtsurlaub ins Haus geflattert war. Ausgerechnet von den Vertriebenen wurde Kabus vertrieben. „Diese Leute tun so, als wären sie schon 1231 mit dem Deutschen Orden über die Weichsel geritten“, sagt Kabus und meint damit wohl vor allem Wilhelm von Gottberg. Der ehemalige BGS-Mann ist Sprecher der ostpreußischen Landsmannschaft und Vorsitzender des Museums-Stiftungsrats. „Ich habe die Kündigung unterschrieben“, sagt von Gottberg. Und, dass „Herr Kabus seit Jahren erhebliche Loyalitätsprobleme mit seinem Arbeitgeber“ gehabt habe. Außerdem betont von Gottberg, dass er sich zum schwebenden Verfahren nicht weiter äußern wolle. Kabus will den Fall nämlich vor dem Arbeitsgericht ausfechten.

Der Streit schwelt seit Jahren. Während Direktor Kabus sich bemühte, aus dem Haus in der Lüneburger Ritterstraße eine „wissenschaftliche Institution“ und ein „Erlebnismuseum“ zu machen, hätten die Vertriebenen-Funktionäre im Museum wohl lieber ein ostpreußisches „Heimatstübl“. Den letzten Rest hat den Vertriebenen-Funktionären wohl Kabus’ Schreiben an die Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ gegeben, in der er sich über den Einfluss der „weit rechten“ Landsmannschaft beklagte und von Gottberg direkt angriff.

„Die vom Bund immer wieder zur Sprache gebrachte Zurückdrängung sach- und fachfremder Einflüsse“ auf das Museum sei „nicht erkennbar“, erklärte Kabus der Bundestags-Enquête. Von Gottberg habe zudem „wiederholt“ versucht, „das Museum zur Bühne seiner politischen Statements“ zu machen. Im „Ostpreußenblatt“ habe er den inzwischen aus Partei und Fraktion ausgeschlossenen CDUler Martin Hohmann „als Christ und Patriot“ verteidigt.

Als Kabus sich über die Landsmannschaft und ihren „außenpolitisch tendenziell negativen“ Einfluss beschwerte, kassierte er eine Abmahnung. Er habe den Clinch mit den Vertriebenen nur „unter großen Schmerzen durchgestanden“, sagt Kabus. Die Geschichte sei zudem nur eine „Abstraf-Aktion“ dafür, dass Kulturstaatsministerin Christina Weiss (SPD) die Ostpreußische Kulturstiftung im November aufforderte, ihre Struktur zu ändern.

Im Machtgefüge des Stiftungsrats gibt es nämlich eine nicht unbedeutende Unwucht: Obwohl die Öffentliche Hand das Museum zu 100 Prozent mit 900. 000 Euro jährlich finanziert, haben gleich mehrere Landsmannschaften im neunköpfigen Gremium das Sagen. Einen „Dissenz“ über die Sitzverteilung mit Vertretern des Bundes habe es darüber gegeben, bestätigt von Gottberg. Und, dass die Landsmannschaft „doch alles, was dem Frieden mit den historisch ostdeutschen Gebieten dient“, getan habe. Mit Kabus will er dort „nie persönlichen Tratsch gehabt“ haben. Der, so von Gottberg, „geschieht nur in meiner Abwesenheit“.

Kabus muss über eine gewisse Erfahrung im Umgang im Widerborstig-Sein verfügen. Seit der ehemalige DDR-Bürger 1977 Kritik an der Ausweisung Biermanns übte, wurde er von der Stasi überwacht. Seinen Posten als Chef der Museums Lutherhalle in Wittenberg verlor er, als er nicht in die Blockflöten-CDU eintreten wollte. Bereits vor dem Mauerfall siedelte Kabus in den Westen über.

Vielleicht zahlt es sich demnächst aus, dass der Ex-Direktor hart bleiben will. Eine neue Lösung werde „nicht alter Wein in neuen Schläuchen sein“, sagt ein Mitarbeiter aus dem Haus der Kulturstaatsministerin der „Lüneburger Landeszeitung“. Immerhin wollte der Bund bislang Geld für eine Erweiterung des Museums geben, in der eine baltische Abteilung eingerichtet werden soll. Christina Weiss „betrachtet die Landsmannschaften immer noch als Scharfmacher“, sagt von Gottberg. „Aber das“, so der gebürtige Ostpreuße,„ist doch längst überholt.“