Der Kunstrasenstreichler

SPORTFERNSEHEN Gebührenfinanziertes Spaßprogramm zwischen Küche und Kiez: Seit zwei Jahren zeigt der WDR „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“

„Hier dürfen ARD-Rotznasen keine Phrasen rausblasen“

Arnd Zeigler

VON DANIEL BOUHS

Sonntags, wenn die Bundesliga-Spieler schon ihre Trikots waschen, kracht in die Bremer Wohnung von Arnd Zeigler ein Übertragungswagen des WDR. So sieht es zumindest aus, wenn sich das Arbeitszimmer des Stadionsprechers in ein Fernsehstudio samt Kameras und riesigen Scheinwerfern verwandelt und sich Techniker mit ihren Mischpulten und Monitoren im Wohnzimmer breitmachen. Um Mitternacht geht dann „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ live auf Sendung, eine Late-Night für Fußballverrückte.

Dabei ist Zeigler nicht nur Moderator, er ist auch Requisiteur seiner eigenen Sendung. In seiner Wohnung stapeln sich Maskottchen, Trikots, Wimpel. Überall liegen Bälle herum, auch Nachbildungen dieser schweren Lederteile aus den Anfängen des Sports. Abgegriffene Fußballmagazine hütet er in Plastikfolien. Zeigler ist eben ein Fußballmessie, dessen Sammelwut weder vor schaurigen Günter-Netzer-Puzzles halt macht noch vor tausenden CDs.

„Ich habe es geschafft, aus meinen Hobbys einen Beruf zu machen“, sagt er. Tatsächlich moderiert Zeigler neben seinen Fußballsendungen bei Radio Bremen auch noch „Zeiglers wunderbare Welt des Pop“. Im Radio darf er spielen, was ihm gefällt. Er mischt dann gerne das Electric Light Orchestra mit David Bowie. Stadionsprecher und Radiostimme – damit ist Zeigler in Bremen eine richtige Nummer. Und mit seiner WDR-Show macht er sich seit zwei Jahren auch außerhalb der Hansestadt einen Namen.

Im Fernsehen kann er seiner Liebe zum Fußball freien Lauf lassen. Zeigler geht dann während seiner Show schon mal in die Küche, um einen Donut zu holen. Der Teigling demonstriert, was für ein Fußballfreak Zeigler ist, denn das Stück war Teil eines Werbespots, den 1997 ein Werder-Spieler im Trainingslager auf Norderney drehte, wo er das abgebissene Teil liegen ließ. Zeigler war dort und ist so bekloppt, dass er den Rest einfror – und Jahre später in seiner Sendung verputzte.

Die 30 Minuten leben auch sonst vom Abseitigen der Spieltage. Von den peinlichen Spielszenen, stammelnden Fußballprofis und Versprechern der Kommentatoren. Dann greift er sich etwa Rolf Töpperwien, weil der meint, einen dänischen Spieler mit einem Benjamin-Blümchen-ö auszusprechen. Sie üben das dann gemeinsam. Außerdem telefoniert Zeigler in der Sendung mit den Fans. Manchmal schaltet er sie sogar zusammen. Dann bekriegt sich ein Dortmunder mit einem Münchner – großartiger Blödsinn.

Vor allem aber schaffen es Momente in die Sendung, die für die ebenfalls vom WDR produzierte „Sportschau“ zu kurios waren. „Unsere Reporter rufen an und sagen: Du, ich habe da am Samstag ein Interview geführt, das so peinlich war, dass wir das nicht senden konnten – aber für euch ist das genau das Richtige“, sagt Zeiglers Redakteur Boris Inanici.

Und so geht mitten in der Nacht ein Sergej Barbarez über den Sender, dem ein Mitspieler während des Gesprächs die Shorts runterzieht. „So was geht um 18 Uhr nicht“, sagt Inanici. „Aber um Mitternacht können wir uns das trauen.“ Diesen Samstag wollen sie in einer ersten „Zeiglers wunderbaren Nacht des Fußballs“ zum Saisonabschluss noch ganz andere Schätze aus dem Sportarchiv präsentieren.

Apropos „Sportschau“. Zeigler streichelt während seiner Sendung schon mal den Kunstrasen in seinem Arbeitszimmer und sagt: „Hier dürfen ARD-Rotznasen keine Phrasen raus blasen.“ Er steht nicht auf das, was seine Kollegen da verzapfen, vor allem nicht auf die Rituale: „Ich mag es nicht, wenn in der Sportschau in den letzten Wochen vor dem Saison-Ende alle gefragt werden, ob sie jetzt Meister werden wollen.“

Vielleicht ist es dieser Anspruch, der dazu führt, dass seine Sendung schon mal mehr Frauen als Männer schauen. Die planen sie sonntags in einem Café, nur ein paar Schritte von Zeiglers Wohnung entfernt. So wie auch das „Heartbreak Hotel“, einer Rockerkneipe mit Absturzgefahr, die in einem Stadtmagazin aktuell als ultimativer Abschlepptipp beworben wird. Dort zischt Zeigler nach den Sendungen mit seiner TV-Mannschaft in dichtem Gedränge oft noch ein paar Bier und flippert.

Die Truppe, zu der neben Zeigler und Redakteur Inanici auch noch zwei Techniker gehören, ist ein gebührenfinanziertes Spaßprogramm. Es geht flapsig zu („Machen wir zu wenig Wolfsburg?“ – „Kann man überhaupt zu wenig Wolfsburg machen?“). So ticken auch die Kollegen, die in Köln die Clips aufbereiten und die bis zu 700 Anrufer betreuen. Zwei übrigens rufen seit zwei Jahren immer an: Rainer und Clemens. Stammpublikum.

Als Zeigler vor zwei Jahren von WDR-Sportchef Steffen Simon gefragt wurde, ob er sich so eine Sendung vorstellen könnte, war die Bedingung: Keinesfalls Köln. Die Woche über hält ihn sein Sohn im Norden. Sonst ist es Zeiglers Verein. Dem folgte er am Mittwoch aber zum Pokalspiel sogar bis nach Istanbul, wo Werder trotzdem den großen Triumph verpasste. Aber für seinen Verein macht Zeigler alles. Nur das Fernsehen lässt er zu sich kommen.

Das sorgte anfangs sogar für Ärger: Nicht nur, dass wochenlang WDR-Trucks vor der Wohnung standen, die Straße aufrissen und eine dicke Datenleitung fürs Live-TV verlegten. Unter Zeigler lebte anfangs auch noch eine Frau mit ihrem Kleinkind. Das wollte unter dem Zimmer schlafen, in dem es sonntagnachts zur Sache geht. Inzwischen haben Zeigler und der WDR das Zweifamilienhaus daher komplett angemietet.

Zeigler sagt: „Wir bewegen uns zwischen dem Offenen Kanal und dem großen Fernsehen.“ Was das heißt, zeigten die ersten Monate. Damals fielen die Server aus, die teils in einer Kammer unter Brettspielen und zwischen trocknender Wäsche stehen. Und während der Sendung glühte schon mal eine Lampe durch. Die Wohnung war der Anstrengung nicht gewachsen.

Der WDR hat nun wuchtige Batterien installiert, die das Schlimmste verhindern sollen. Zeigler selbst findet an diesem Experimentellen großen Gefallen: „So kann ich mir während der Sendung einfach meinen Joghurt aus der Küche holen.“

■ „Zeiglers wunderbare Nacht des Fußballs“, Samstag 23.45 bis 2 Uhr, „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“, Sonntag 0.15 bis 0.45 Uhr, jeweils im WDR-Fernsehen und im Internet www.zeigler.wdr.de