Den kenn‘ ich doch!

Sensationeller als ein „bisher unbekanntes“ Porträt von Mozart ist nur die PR-Arbeit der Berliner Gemäldegalerie

Eine Sensation: „Ein neues und bisher unbekanntes Mozartporträt“ sei in der Berliner Gemäldegalerie aufgetaucht, meldeten diverse Zeitungen. Die Aufregung lässt sich verstehen, denn Porträts von Mozart sind selten und zudem meist erfunden.

Doch, merkwürdig, der „unbekannte“ Mozart wirkt so vertraut. Die Gemäldegalerie bestätigt bereitwillig: Er hing auch bisher dort. Allerdings nicht in der Hauptsammlung, sondern ganz hinten links in der „Studiengalerie“, die wie ein Keller wirkt.

Wie kann ein bekanntes Mozart-Porträt plötzlich unbekannt sein? Reines PR-Kalkül, räumt Oberkustos Rainer Michaelis ein: „Die Pressestelle hat gesagt, wir melden es im Januar zu Mozarts 249. Geburtstag.“

Tatsächlich weiß die Gemäldegalerie seit 1999, dass sie ein Mozart-Porträt besitzt. Im Juli 2004 war dann die Restaurierung abgeschlossen. Auch die abenteuerliche Entdeckungsgeschichte wurde nicht verschwiegen. Michaelis hat sie mehrmals beschrieben, etwa im Mozarthandbuch – „aber das lesen ja nur Fachleute“. 1934 erwarben die Berliner Museen für 650 Reichsmark ein anonymes „Herrenbildnis“. Bekannt war nur der Maler: Johann Georg Edlinger aus München. Er gehört nicht zu den bedeutenden deutschen Künstlern, und so blieb das Bild auch nach dem Krieg im Depot.

Dabei wäre es wohl geblieben, hätte nicht der Informatiker Wolfgang Seiller in seiner Freizeit begonnen, die Werke seines Ahnen Edlinger zu erforschen. Dabei fiel ihm auf, welch erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen dem Berliner Depotbild und einem anonymen Mozart-Porträt in Bologna zu finden sind. Der Rest ist eine wundersame PR-Story. ULRIKE HERRMANN