Billigsteuer auf Brot und Zeitung in Gefahr

Finanzminister prüft Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Unklar ist der Ausgleich für Geringverdiener

BERLIN taz ■ Es gilt als selbstverständlich: Grundnahrungsmittel und Kulturgüter werden mit einer reduzierten Umsatzsteuer belegt – 7 statt 16 Prozent. Doch Finanzminister Hans Eichel (SPD) möchte diese Subvention abschaffen, zumal sie ausgeufert ist und längst auch für Zierpflanzen, Leistungen von Zahntechnikern oder lebende Tiere gilt.

Also gab der Finanzminister eine Studie in Auftrag, das Ergebnis dürfte ihn freuen: Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) plädiert dafür, den Nachlass bei der Umsatzsteuer zu streichen.

Hauptargument für die reduzierte Mehrwertsteuer war stets, dass ärmere Haushalte geschont werden müssten, weil sie überproportional viel von ihrem Einkommen für Nahrungsmittel aufwendeten. Dieser Umverteilungseffekt lässt sich zwar nachweisen, doch fällt er geringer aus als angenommen. So geben gut situierte Haushalte rund 12 Prozent für ermäßigt besteuerte Güter aus, bei den Geringverdienern sind es knapp 20 Prozent. Die Studie: „Von der Ermäßigung profitieren die einkommensstarken Haushalte fast in gleichem Maß.“ Die reduzierte Mehrwertsteuer sei eine „verteilungspolitisch maskierte Branchensubvention“ – für die Nahrungsmittel- und Kulturbranche.

Die Mehrwertsteuer bringt jährlich 140 Milliarden Euro. Würden die reduzierten Sätze abgeschafft, wären es weitere 16 Milliarden Euro. Das ZEW hat nun untersucht, wie diese Zusatzeinnahmen den Haushalten zurückgegeben werden könnten. Einfach nur den regulären Mehrwertsteuersatz zu senken, verbietet sich: Die EU hat festgelegt, dass die Umsatzsteuer in ihren Mitgliedsstaaten 15 Prozent nicht unterschreiten soll.

Das ZEW schlägt daher vor, mit den Zusatzeinnahmen die Sozialabgaben zu senken. Alternativ sei denkbar, die individuellen Grenzsteuersätze bei der Einkommensteuer zu reduzieren – also die Progressionstabelle zu verschieben. Von beiden Lösungen würden jedoch nur Haushalte profitieren, die über ein Erwerbseinkommen verfügen. Rentner oder Arbeitslose gingen leer aus. Sie sollten, so das ZEW, eine entsprechend höhere staatliche Unterstützung erhalten.

Es ist der Studie anzumerken, dass die Forscher auch gern untersucht hätten, wie sinnvoll es ist, dass in manchen Bereichen überhaupt keine Umsatzsteuer erhoben wird – etwa bei den Mieten oder in der Pflege. Doch danach hat Finanzminister Eichel nicht gefragt, ihm ging es nur um die reduzierten Sätze.

ULRIKE HERRMANN

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