Streit der Wirtschaftsweisen mit Fernwirkung

Der Zoff im Wirtschaftsberater-Gremium der Bundesregierung könnte dem konservativen Ökonomen-Lager dazu verhelfen, einen grundsätzlichen Wandel der Geld- und Finanzpolitik zu verhindern. Kritiker Bofinger wehrt sich

BERLIN taz ■ Was als Streit unter den Wirtschaftsberatern der Bundesregierung begonnen hat, könnte Folgen für die Europäische Zentralbank (EZB) haben. Möglicherweise diene die öffentliche Auseinandersetzung dazu, Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger so zu beschädigen, dass er als zukünftiger Chef-Volkswirt der EZB nicht mehr in Frage komme. Das vermutet Arne Heise, Vizepräsident der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. „Bofinger wird als möglicher Nachfolger des amtierenden EZB-Chefökonomen gehandelt“, so Universitätsprofessor Heise.

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates für Wirtschaft, Wolfgang Wiegard, hatte Bofinger unlängst mangelnde Fachkompetenz in der Steuerpolitik vorgeworfen. Bofinger nannte die Attacke seines Kollegen „stillos“. Tatsächlich ist der Streit Ausdruck unterschiedlicher ökonomischer Konzepte: Während der Sachverständigenrat bisher meist Sparpolitik, Lohnzurückhaltung und Steuersenkungen einforderte, hält Neumitglied Bofinger unter anderem höhere Löhne für geboten.

Peter Bofinger ist der zurzeit profilierteste Kritiker der herrschenden ökonomischen Lehre. Im Frühjahr 2004 war er als Bundesbankpräsident im Gespräch. Dann rückte er in den Sachverständigenrat auf. Bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt ist 2006 der Posten des Chefökonomen neu zu besetzen, den zurzeit Bundesbank-Vertreter Otmar Issing hält.

Bofinger ist Spezialist für Geldpolitik. Mehrfach hat er sich dafür eingesetzt, dass die EZB ihre Politik des knappen Geldes aufgeben solle. Um das Wachstum zu stimulieren, sei es ratsam, die Leitzinsen zu senken. Eine Berufung Bofingers in die EZB würde einen Bruch mit der bisherigen Politik der Zentralbank und auch der Bundesbank bedeuten. Daran hat das eher konservative Ökonomen-Lager kein Interesse.

Indem Bofinger die herrschende Lehre kritisiert, trifft er zum Teil auch die rot-grüne Finanz- und Wirtschaftspolitik. Das stellt aber keinen Gegensatz dar zu seiner Tätigkeit als Berater der Bundesregierung. Die fünf Mitglieder des Sachverständigenrates werden zwar auf offiziellen Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt, doch zwei unter ihnen haben eine traditionelle Sonderrolle.

Der eine – in diesem Falle Peter Bofinger – wird von den Gewerkschaften vorgeschlagen. Der andere kommt von der Seite der Wirtschaft. Gegenwärtig ist das Wolfgang Franz von der Universität Mannheim. Die anderen drei Mitglieder – zurzeit Beatrice Weder di Mauro (Universität Mainz), Bert Rürup (Technische Uni Darmstadt) und Wolfgang Wiegard (Universität Regensburg) – sucht das Bundeswirtschaftsministerium in Absprache mit den Sachverständigen aus. So sind die amtierenden Mitglieder des Rates sämtlich unter der Ägide von Rot-Grün berufen worden. Sie reden Rot-Grün zwar nicht nach dem Mund, doch ihre Grundsatzpositionen laufen dem Regierungshandeln auch nicht diametral zuwider. Ein weiteres Kriterium für die Berufung in den Sachverständigenrat ist ein hervorragendes Standing in der Wissenschaft. HANNES KOCH