Innenminister stoppen jüdische Zuwanderung

Mit neuen Kriterien wollen die Länder die Einreise von Juden aus Ländern der früheren Sowjetunion stark erschweren. Nach Protesten des Zentralrats sollen die geplanten Regeln jetzt überarbeitet werden. Bis dahin bleibt eine Grauzone

BERLIN taz ■ Die jüdische Zuwanderung aus den Ländern der früheren Sowjetunion wird voraussichtlich stark eingeschränkt. Das ist eine Konsequenz aus dem neuen Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt und die alten Regelungen für jüdische Kontingentflüchtlinge aufhebt.

Zugleich entsteht nach Prognose des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, mit dem Jahreswechsel wahrscheinlich eine rechtliche Grauzone. Geplante Ersatzregeln für die Zuwanderung aus ehemals sowjetischen Ländern sind noch nicht beschlossen.

Seit Anfang der Neunzigerjahre sind nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge fast 200.000 Juden aus den GUS-Staaten in Deutschland eingewandert. Allein im laufenden Jahr waren es mehr als 9.400.

Die Zuwanderung der Juden hat zu einer Renaissance des jüdischen Lebens in Deutschland geführt. Noch Anfang der Achtzigerjahre drohten die jüdischen Gemeinden der Bundesrepublik, langsam auszusterben. Eine neue Blüte erlebten sie in den vergangenen Jahren durch die „Russen“, wie die Zuwanderer in den Gemeinden häufig genannt werden. Allerdings sind etwa 85 Prozent der jüdischen Zuwanderer aus der GUS in der Bundesrepublik dauerhaft von Sozialhilfe abhängig.

Dies dürfte einer der Hauptgründe gewesen sein, weshalb gerade die Bundesländer auf eine Neuregelung der jüdischen Migration im Zuwanderungsgesetz drängten. Nach der bisherigen „geregelten Aufnahmeregelung“ sind Personen zuwanderungsberechtigt, die staatlichen Urkunden zufolge jüdischer „Nationalität“ sind oder mindestens ein jüdisches Elternteil haben. Jüdischen Religionsgesetzen nach sind eigentlich nur Kinder jüdischer Mütter Juden.

Eine Arbeitsgruppe von Experten der Innenministerien von Bund und Ländern entwickelte in den vergangenen Monaten ein Paket von Maßnahmen, die de facto die Zuwanderung massiv verringern werden. Geplant ist, dass jüdische Antragsteller vor einer Aufnahme in der Bundesrepublik auf folgende Kriterien geprüft werden: Haben sie eine Bescheinigung einer jüdischen Gemeinde in Deutschland, dass eine Aufnahme in die Gemeinde möglich sei? Verfügen sie über Grundkenntnisse im Deutschen? Können sie, etwa anhand eines alten sowjetischen Passe, eine jüdische Herkunft nachweisen? Bieten sie eine ausreichende Gewähr dafür, nach Einwanderung in Deutschland nicht von Sozialhilfe abhängig zu sein?

Nach Auskunft Kramers protestierte der Zentralrat offiziell gegen mehrere dieser geplanten neuen Regeln. Der Zentralrat war erst wenige Tage vor der Sitzung der Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche über die geplanten Änderungen informiert worden. Ihm stießen nicht zuletzt die geplanten Nachweise der jüdischen Gemeinden für die Antragsteller auf. Dazu seien die Gemeinden derzeit weder technisch noch organisatorisch in der Lage, erklärte Kramer. Völlig unklar erscheine ihm auch, wie eine Prüfung darüber geschehen könne, dass der Antragsteller in Deutschland voraussichtlich keine Sozialhilfe empfangen wird.

Der Zentralrat verwies zugleich darauf, dass derzeit noch 27.000 Antragsteller in den GUS-Ländern zwar eine Aufnahmezusage in Deutschland hätten, diese aber nach zwölf Monaten verfalle. Weitere 27.000 Antragsteller warteten nun schon zum Teil viele Jahre auf die Erlaubnis zur Einwanderung. Ob sie mit den geplanten neuen Regeln überhaupt noch einwandern könnten, sei nicht klar, so Kramer.

Die Ministerpräsidenten haben nun beschlossen, dass sie die geplanten neuen Regeln durch ihre Innenministerien noch einmal überarbeiten werden.

PHILIPP GESSLER