Berlusconi zimmert sich die Justiz zurecht

In Italien sollen Verjährungsfristen für Ersttäter drastisch reduziert werden. Dann brauchte ein verurteilter Vertrauter des Ministerpräsidenten nicht ins Gefängnis. Wegen eines anderen Falles soll das Strafrecht geändert werden

ROM taz ■ Handstreichartig hat die Koalition des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi einen erneuten Eingriff in die Justiz in die Wege geleitet. Gegen die Opposition drückten die Regierungsparteien die sofortige Beratung eines Gesetzes durch, das die Verjährungsfristen für zahlreiche Verbrechen reduzieren soll.

Hintergrund der parlamentarischen Blitzaktion sind die Nöte, in denen sich einer der engsten Vertrauten Berlusconis befindet: Cesare Previti. Previti, jahrzehntelang Anwalt Berlusconis, dann Mitstreiter in der Forza Italia, hat mit der Justiz nicht so viel Glück wie sein erst am letzten Freitag wieder mal freigesprochener Chef. Anders als Berlusconi, der in gleich zwei Prozessen dank mildernder Umstände und deshalb kürzerer Verjährungsfristen knapp einer Verurteilung entging, hat Previti aus zwei erstinstanzlichen Urteilen der Mailänder Gerichte schon insgesamt 16 Jahre Haft auf dem Buckel. Er wurde schuldig gesprochen, im Interesse des Berlusconi-Konzerns Richter bestochen und deren Urteile gekauft zu haben, als es um strittige Firmenübernahmen ging.

Der verurteilte Anwalt, der heute als Forza-Italia-Abgeordneter im Parlament sitzt, ist in die Berufung gegangen. Anders als Berlusconi aber kann er kaum auf Verjährung hoffen: Die träte erst im Jahr 2009 ein. Noch im Vorfeld der Berufungsverhandlung – sie soll am 7. Januar beginnen – will deshalb die Regierungskoalition jetzt einfach die Verjährungsfristen für Ersttäter drastisch reduzieren. Schön für Previti, dass seine Verfahren, ganz zufällig natürlich, mit der neuen Norm schon im Jahre 2004 der Verjährung anheim fallen würden.

Erst am Dienstagnachmittag brachte die Koalition das Gesetz in der jetzt vorliegenden Form ins Parlament ein. Im Justizausschuss räumte der Vorsitzende Gaetano Pecorella (Forza-Italia-Abgeordneter und nebenher Berlusconi-Anwalt) dann der Opposition gerade mal 25 Minuten für die Diskussion ein. Unmittelbar danach beschloss das Abgeordnetenhaus, das Gesetzesvorhaben sofort auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen.

Das Berlusconi-Lager schlägt damit einen in den letzten drei Jahren schon mehrfach gegangenen Weg ein. So war die Bilanzfälschung zur Bußgeldsache herabgestuft worden (zwei Prozesse gegen den Ministerpräsidenten mussten daraufhin eingestellt werden), so war der Gebrauch von aus dem Ausland zugestelltem Beweismaterial künstlich erschwert worden, so wurden den Angeklagten größere Rechte zur Ablehnung eines Gerichtsstandes eingeräumt. Previti hat das alles nichts genützt, deshalb jetzt das neue Gesetz, das – natürlich auch mit der Stimme des angeklagten Abgeordneten – noch diese Woche beschlossen und dann im Januar definitiv vom Senat verabschiedet werden soll.

Rettung ist auch für den zweiten Berlusconi-Vertrauten in Aussicht, für den am Samstag in Palermo zu neun Jahren Haft verurteilten Marcello Dell'Utri. Ihm zuliebe wollen zwei Abgeordnete der Koalition jetzt einen Gesetzentwurf einbringen, der das Dell'Utri zur Last gelegte Verbrechen – Unterstützung einer mafiösen Vereinigung – einfach aus dem Strafgesetzbuch streicht. MICHAEL BRAUN