Nach Urteil zur Versammlungsfreiheit: Effizient ausgestaltet

Das Karlsruher Verfassungsgericht hält auch den Grundrechtsschutz gegen rein private Unternehmen für möglich. Das müsste aber öffentlich sein und für ein Urteil bräuchte es Kläger.

Offen blieb, ob rein private Unternehmen an Grundrechte gebunden sein können. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Der Fraport-Fall warf Fragen auf, die weit über das Versammlungsrecht hinausweisen: Wann können Grundrechte auch gegenüber privaten Unternehmen geltend gemacht werden? Das Verfassungsgericht gab nun erste Antworten, die Diskussion ist aber noch lange nicht abgeschlossen.

Eigentlich sind die Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert. Bürger und Unternehmen können sich auf Grundrechte berufen, der Staat ist durch Grundrechte verpflichtet. Eingriffe in Meinungsfreiheit oder Eigentum müssen deshalb auf einem Gesetz beruhen und verhältnismäßig sein.

Was aber gilt, wenn der Staat in Form eines privaten Unternehmens handelt? Muss er dann die Grundrechte der Bürger nicht mehr beachten? Geklärt war bisher nur, dass hundertprozentige Staatsunternehmen der Grundrechtsbindung nicht entfliehen können. Neu ist, dass dies auch für gemischte Unternehmen gilt, sofern der Staat das Unternehmen "beherrscht". Eine Beherrschung liegt in der Regel vor, wenn der Staat die Mehrheit der Anteile hat, wie beim Flughafenbetreiber Fraport.

Karlsruhe hat diese Grundrechtsbindung im Fraport-Urteil jetzt auch sehr effizient ausgestaltet. Denn das beherrschte Unternehmen (und dessen Geschäftsführung) sind direkt und selbst verpflichtet. Es genügt nicht, wenn sich die Staatsvertreter im Aufsichtsrat für die Achtung der Grundrechte einsetzen. Letzteres hatte die Rechtswissenschaft bisher weithin angenommen. Wenn die privaten Minderheitsgesellschafter - bei der Fraport war es zum Beispiel die Lufthansa - nicht an Grundrechte gebunden sein wollen, müssten sie eben ausscheiden, so die Richter.

Offen blieb aber, ob auch rein private Unternehmen an Grundrechte gebunden sein können. Die Klägerin und ihre Prozessvertreter hatten das gefordert. Sie wollten nicht darauf abstellen, wer die Aktienmehrheit am Flughafen besitzt. Die Versammlungsfreiheit müsse auch dann gelten, wenn eine Anlage öffentlich sei und wie eine Einkaufsstraße vielfältige Angebote aufweise. Das Demonstrationsrecht hätte dann auch in privaten Einkaufszentren gegolten oder auf dem Potsdamer Platz in Berlin, der inzwischen zum privaten Sony Center gehört.

Diese Frage ließ das Verfassungsgericht in Karlsruhe aber (noch) offen, weil sie nicht entscheidungserheblich war. Zu erkennen war bei den Verfassungsrichtern allerdings eine deutliche Sympathie für eine weite Grundrechtsbindung - vor allem wenn die Privaten "in eine vergleichbare Pflichten- oder Garantstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat", wie es in einer Randbemerkung des Urteils hieß. Demonstranten könnten es nun darauf anlegen und dafür sorgen, dass in Karlsruhe bald passende Fälle vorliegen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.