„Wenn ich mich ausziehe, dann nur in meiner Sendung“

Stefan Raab war der Rabauke des deutschen Fernsehens. Als Erfinder des „Pulleralarms“ weckte er sogar das Interesse der Duden-Redaktion. Inzwischen ist der Musiker und Entertainer zum Medienunternehmer geworden – und fast so milde wie einst nur Alfred Biolek war. Ein taz-Gespräch über Patriotismus, Politik und den Populismus erfolgreicher TV-Formate

Interview JAN FEDDERSEN

taz: Herr Raab, finden Sie sich sexy?

Stefan Raab: Nee.

Warum nicht? Was fehlt Ihnen, um sich auf diese Weise wahrzunehmen?

Habe ich nie drüber nachgedacht. Will ich auch nicht sein. Sexy? Wenn jemand sich schmierig-schnöselig-modisch anzieht, ist das irgendwie peinlich.

Interessante Definition von Sexyness.

Wenn Sie sagen, Sie fänden mich sexy, fände ich das erstaunlich.

Schöne Unterarme haben Sie, meinen viele Frauen und Männer.

Vielleicht in Ihrer Wahrnehmung. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Aussehen, ich habe mich damit abgefunden.

Ist Ihr Kinn attraktiv?

Jedenfalls ist es hervorstechend. Ich sehe durchschnittlich aus, so würde ich das bezeichnen.

Macht Schönheit das Leben leichter?

Ich glaube, dass wohl das eine als auch das andere Extrem das Leben schwerer macht.

Würden Sie für „Playgirl“ posieren?

Nein.

Nicht für eine lockende Gage?

Geld brauche ich nicht. Wenn ich mich ausziehe, dann nur in meiner Sendung …

auch textil?

Sind Sie wirklich von der taz?

Selbstverständlich.

Ihr macht euch Gedanken … Ich nicht.

Aus Resignation? Scheu womöglich?

Wenn, dann aus Resignation. Ich glaube auch nicht, dass mehr Leute meine Sendung sehen würden, sähe ich besser aus.

Persönlich gefragt: Was können Sie mit dem Wort Patriotismus anfangen?

Ich leb gern hier in diesem Land. Es ist sehr liberal und sozial. Ich habe hier die Möglichkeiten gehabt, mich so zu entfalten, wie ich es selbst wollte.

Was sagen Sie zur schwarz-rot-goldenen Deutschlandfahne?

Ich finde, in den letzten 20 Jahren hat sich der Umgang mit nationalen Symbolen sehr verändert. Es gab ja immer die große Last aus dem Zweiten Weltkrieg, die gerade auf junge Leute transferiert wurde. Wenn einer früher zu einem Länderspiel fuhr und die deutsche Fahne mitgenommen hat, galt er schon als verdächtig.

Mittlerweile gilt es kaum noch als anstößig.

Warum auch? Bei allen anderen Völkern geht man mit der Nationalflagge normal um. Bei uns ist es jetzt auch normal.

Was ist für Sie normal?

Dass der Umgang angemessen ist, das heißt nicht übertrieben. Jede Form extremer Darstellung finde ich falsch, aber auch jede Form extremer Zurückhaltung.

Was mögen Sie an Deutschland?

Dass es für mich keinen Grund zu klagen gibt. Wenn ich durch andere Länder reise, dann habe ich dieses Gefühl besonders.

Haben Sie die Debatte in der CDU um den Abgeordneten Hohmann mitbekommen.

Nicht in Einzelheiten. Ich habe andere Fachgebiete, über die ich Auskunft geben kann.

Vielleicht zur Schnittstelle von Politik und Fernsehen: Wer ist der beste politische Entertainer?

Schwer zu sagen. Wem höre ich am liebsten zu – das ist mein Kriterium.

Wem denn?

Aus Unterhaltungsgesichtspunkten ist es immer lustig, Herrn Stoiber zuzuhören. Politisches Entertainment wie zu den Zeiten von Herbert Wehner und Franz Josef Strauß gibt es ja nicht mehr. Deren Nachfolger haben ja heute alle Angst. Guido Westerwelle ist ja auch so ein spaßiger Kandidat.

Was hören Sie, wenn Sie politischen Debatten zuhören?

Wenig direkte Inhalte. Ich höre gern den Leuten zu, denen man anmerkt, dass sie furchtbar eitel und selbstverliebt sind.

Stoiber?

Mit Sicherheit ist er eitel, optisch jedenfalls. Selbstverliebt? Finde ich nicht.

Könnte Westerwelle bei Ihnen ähnlich Wertschätzung finden wie Herbert Wehner?

Nein. Ich mach mir nur meine Gedanken über Politiker. Alle haben Angst.

Und das bedeutet?

Dass Politiker, die ein Späßchen machen, als unseriös gelten.

Warum hat Guido Westerwelle keinen Erfolg?

Weil ihm 18 Prozent fehlen.

Warum überzeugt Sie sein Angebot nicht?

Das habe ich nicht gesagt. Ich würde mich sonst festlegen.

Darf man sich als quotenbedachter Fernsehmann nicht festlegen?

Fragen zu politischen Vorlieben empfinde ich als sehr privat.

Privates wollen Sie schützen?

Ja, dabei zeige ich so viel von mir – wer meine Sendung genau schaut, wird vieles von mir erkennen. Aber …

warum keine Politik?

Weil ich Angst davor habe, dass junge Leute, die meine Sendung mögen, sagen, was der wählt, wähle ich auch. Die sollen sich selbst ’ne Meinung bilden.

Immerhin ist durch Sie die Aversion gegen Großdemonstrationen überliefert. Waren Sie gegen deren Ziele?

Als ich in der Pubertät war, so Anfang der Achtziger, da gab es einen Demo-Overkill – Atom, Frieden, Abrüstung, Pershing, was weiß ich.

Ehrenwerte Anliegen.

Ich bin auch für Abrüstung und gegen Gewalt. Aber man kann sein Anliegen auch anders formulieren.

Wie, bitte?

Indem ich eine positive Grundeinstellung mitbringe, das kann ich jedem nur empfehlen.

Good News sind keine News.

Das weiß ich auch. Wenn ich geblitzt werde und den Führerschein abgenommen bekomme, ist das für Journalisten wichtiger, als wenn ich Wok-Weltmeister werde. Eine Unverschämtheit.

Ist das nicht scheinheilig, wenn gerade Sie das sagen? Machen sich über Passanten lustig …

… das war doch immer nur Spaß …

und über Ingo Dubinskis Gemächt – was unschön war, weil sich der ARD-Mann nicht wehren konnte …

… kam aber in meine Sendung. Ernsthaft: Als wir Ingo Dubinski ins Visier nahmen, war er omnipräsent auf fast allen Kanälen – und ich ein kleines Licht. Da machte sich David über Goliath lustig. Was macht der eigentlich heute?

Keine Ahnung.

Durch mich wurde seine TV-Karriere jedenfalls nicht beendet.

Weshalb setzt Ihre Show „TV total“ so sehr auf Zotigkeit?

Finden Sie, dass sie das tut?

Ja.

Das ist eine falsche Wahrnehmung. Worüber kann sich Ingo Dubinski beklagen – dass durch ihn das Wort Pulleralarm entstanden ist? Heute variiert das doch jeder. Schnulleralarm …

aber wenn ein Ausschnitt vom CDU-Parteitag gezeigt wird, auf der eine Delegierte sich das Sakko auszieht und ihr T-Shirt zeigt …

… auf dem etwas von Studiengebühren steht – meinen Sie diese Szene?

Genau diese. Weshalb sollten Sie Ihren Zuschauern zeigen, dass dabei ihre Brustwarzen deutlich zu sehen sind – ist das lustig?

Im Zusammenhang mit Studiengebühren ja – denn sie wollte durch diese Aktion mediale Aufmerksamkeit. Und die hat sie von uns bekommen.

Was wollen Sie mit „TV total“?

Spaß. Wir haben in all den Jahren durch unsere TV-Kanal-Studien Sachen aufgedeckt – also die ganze Fernsehszene mal etwas durchleuchtet –, dass daraus ein Sammelsurium von Patzern und Pannen in unserm Archiv gewachsen ist. Wir sind die wahren Chronisten der TV-Landschaft.

Jetzt lachen Sie selbst. Muss „TV total“ populistisch sein?

Muss nicht, aber im Fernsehen kann man nicht unpopulistisch sein.

Oder man arbeitet für Arte?

Arte muss das nicht, weil der Sender wahrscheinlich nicht daran gebunden ist, dass auch Leute zugucken. Davon gehe ich aus, sonst würden die nicht so ein Programm machen. Aber ich gucke gern mal bei Arte rein.

Das ist ja fast ein privater Einblick. Mögen Sie eigentlich die Musik, die Sie machen?

Ich mache ausschließlich Musik, die ich mag. Gelegentlich produziere ich auch was für die Schublade. Aber dieses Material kennen nur zehn Leute.

Darf man das irgendwann hören?

Nein. Aber es ist Kunst. Jazz zu spielen, abgesehen von Dixieland, ist mit Sicherheit auch Kunst, kompositorisch aber ist die größere Kunst, ein Lied zu schreiben, das ein Hit wird. Der Markt weiß sowas ja gut einzuschätzen.

Die gute Quote heiligt alles?

Nicht alles, aber vieles. Mich interessiert nicht, ob die Spex Songs von mir gut findet.

Dafür die „Bild“?

Nicht zwingend. Aber wenn ich etwas mache, was für die Öffentlichkeit bestimmt ist, dann leg ich auch Wert darauf, dass es einer größtmöglichen Öffentlichkeit gefällt.

Eigentlich haben Sie vor drei Jahren erklärt, demnächst auf Weltumseglung zu gehen. Warum sind Sie an Land geblieben?

Es ist das alte Lied: Wenn man jung ist, hat man Zeit, aber kein Geld. Wenn man Geld hat, fehlt es an Zeit. Ich habe die Segelei nicht aus dem Blick verloren, aber momentan habe ich unternehmerische Interesse mit der Sendung und anderen Projekten.

Fürchten Sie nicht, mal nicht mehr vor der Kamera zu stehen?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe reichlich Alternativen.