Euphorisches Ausrufezeichen

CRASHKURS Das Berliner Gallery-Weekend lädt internationale Sammler „zu einem Wochenende der Kunst in einer aufregenden Stadt“ ein – inklusive kollektiver VIP-Bespaßung beim obligatorischen Galadinner

Statt seine Kunst in die Messekojen dieser Welt zu quetschen, bedient man sich der Aura der Künstlerstadt Berlin

VON KITO NEDO

Auch wenn es schwerfällt, den Charakter des „Gallery Weekends“ – dem alljährlich stattfindenden konzertierten Eröffnungswochenende der selbsternannten A-Galerien Berlins zu beschreiben: Bescheidenheit gehörte nie zu den besonderen Eigenschaften der Veranstaltung. Als „euphorisches Ausrufezeichen von Berlin für Berlin in Berlin“ warb man etwa 2006 ziemlich beschwipst für sich – da ging das „Weekend“ gerade mal in sein zweites Jahr und zählte 24 handverlesene Teilnehmer, darunter Arndt & Partner, Galerie Neu, Giti Nourbakhsch oder Peres Projects.

Das Konzept des mittlerweile vom Frankfurter Exgaleristen und Kunstagenten Michael Neff organisierten „Weekends“ war (und ist) freilich so einfach wie genial: anstatt sich und seine Kunst in die Messekojen dieser Welt zu quetschen, bedient man sich einmal im Jahr der mythischen Aura der Künstlerstadt Berlin und lädt internationale Sammler „zu einem Wochenende der Kunst in einer aufregenden Stadt“ – kollektive VIP-Bespaßung bei einem Galadinner inklusive.

Ob sich die Erfolgsgeschichte des „Weekends“ im fünften Jahr des Bestehens und im Jahr eins der großen Finanzverwerfungen ungebremst fortsetzen lässt, dürfte so manchen aus dem mittlerweile auf 38 Galerien angewachsenen Teilnehmerkreis beschäftigen. Doch wie es mit den Sammlern tatsächlich lief, darüber wird später, wenn überhaupt, wieder nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Die grellen Farbtöne der Corporate Identity aus den Vorjahren wurden jedenfalls schon mal vorsorglich gegen ein gedecktes Grau eingetauscht. Ob es hilft?

Den Ruch der Avantgarde kann die große Sammler-Sause jedenfalls nicht mehr für sich reklamieren – umso mehr jedoch das unbestrittene Verdienst, neben dem Art Forum im September ein weiteres wichtiges Datum etabliert zu haben, an dem die Szene der Hauptstadt zur Höchstform aufläuft: alle profitieren von der erhöhten Publikumsfrequenz und Aufmerksamkeit im Sog des „Weekends“.

Wer will, der kann also an vier Tagen einen Crash-Kurs in Berliner Kunstszene absolvieren: alles, was man dazu braucht, sind Stadt- und taz-Plan. Am heutigen Donnerstag öffnen die Projekträume der Stadt, wie etwa „Souterrain“ oder „program“ und am Abend feiert die italienische Kunstzeitschrift Mousse im „Building“ das Erscheinen einer neuen Ausgabe. Der Freitagabend gehört den Galerien, die mit monografischen Ausstellungen locken: unter anderem wird Kunst der kürzlich verstorbenen Konzeptualistin Hanne Darboven (bei Klosterfelde), der Berliner Fotografenlegende Michael Schmidt (Nordenhake) oder dem Bildhauer Carsten Höller (Schipper) gezeigt.

Bescheidenheit gehörte nie zu den besonderen Eigenschaften der Veranstaltung „Gallery Weekend“

Am Samstag eröffnen dann in den Kunst-Werken an der Auguststraße, eingeladen von KW-Kuratorin Susanne Pfeffer, der Maler Sergej Jensen, die Fotografin Annette Kelm und der Installationskünstler Wolfgang Breuer je eine Einzelausstellung: gewöhnlich gibt es zu solchen Anlässen immer ein riesiges Hallo im Hof der ehemaligen Margarinefabrik.

Doch dass die Zukunft der Kunst-Stadt vielleicht im Abschied von liebgewonnenen Ritualen liegen könnte, das legt das eintägige Ausstellungsprojekt „7x2“ im ehemaligen Haus des Kindes am Strausberger Platz nahe, zu dem sich erstmalig sieben junge Galerien zusammengeschlossen haben, darunter Tanya Leighton, Sommer & Kohl, Croy Nielsen und Sandra Bürgel. Auffällig ist eine gewisse Nüchternheit im Konzept und die Betonung von Vernetzung, denn die Galerien präsentieren zwischen 11 und 18 Uhr auf sieben Etagenfoyers des Henselmann-Towers nicht nur das eigene Programm, sondern auch je einen Partner jenseits von Berlin.

So kommt etwa auf Einladung von Tanya Leighton der traditionsreiche New Yorker Off-Space White Columns in die Stadt. Gegründet 1970 von Jeffrey Lew und Gordon Matta-Clark, blickt man mittlerweile auf eine vierzigjährige Geschichte zurück. „Der Kunstmarkt“ sagt „7x2“-Mitinitiator Markus Lüttgen von der Galerie Lüttgenmeijer, „lebt nicht nur vom Standort, sondern auch vom Netzwerk.“ Auch wenn „7x2“ nicht als kritische Weekend-Gegenveranstaltung geplant ist, die Philosophie hat Charme: weg von der ewigen Feier des Selbst, dafür Foren für befreundete Projekte von auswärts bilden.

Alle 38 Galerien haben geöffnet: Fr., 1. 5. 16–21 Uhr, Sa. 2. 5. und So. 3. 5. 10–19 Uhr. Weitere Infos: www.gallery-weekend-berlin.de. „7x2“, Sonntag, 3. 5. 11–18 Uhr, Strausberger Platz 18. Weitere Infos: www.7mal2.com