Aufbegehren gegen das Beschweigen

Anlässlich des morgigen „Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen“ machen Kölner Projekte darauf aufmerksam, dass für Frauen Gewalterfahrungen Alltag sind. „Wir haben gut zu tun“, so der bittere Kommentar des Notrufs für vergewaltigte Frauen

VON SUSANNE GANNOTT

Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Frauen werden missbraucht, vergewaltigt, geschlagen und bedroht. Meistens vom eigenen Mann, vom Freund, zu Hause in den eigenen vier Wänden. Am morgigen „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ wird man wieder viel darüber hören, dass sich das nicht geändert hat – allen Gesetzesnovellen und Kampagnen zum Trotz.

Zwei von fünf Frauen in Deutschland haben laut einer im Herbst veröffentlichten Studie sexuelle oder körperliche Gewalt erfahren. In Köln wurden im Vorjahr 245 Vergewaltigungen angezeigt. Das sind zwar 15 Prozent weniger als 2002, aber die Stadt liege bundesweit immer noch „auf einem der vorderen Plätze“, sagt Irmgard Kopetzky vom Kölner Notruf für vergewaltigte Frauen. Zumal die Dunkelziffer zehn- bis zwanzig Mal höher liege. Sie kann jedenfalls keine Verbesserung erkennen: „Wir haben immer gut zu tun.“

Keine Entwarnung gibt es auch bei der „häuslichen Gewalt“: 1.596 Mal wurde 2003 deswegen in Köln Anzeige erstattet. Man könne davon ausgehen, dass meistens Frauen die Opfer sind, so Cathrine Maus, Sprecherin der Kölner Polizei. Männer, die von ihren Frauen geschlagen werden, zeigten das nur selten an. Dass die Fälle von häuslicher Gewalt laut Statistik steigen, führt sie vor allem auf die Einführung des Gewaltschutzgesetzes im Januar 2002 zurück.

Dieses Gesetz, nach dem die Polizei etwa einen gewalttätigen Mann aus der Wohnung weisen kann, ist für Claudia Schrimpf ein großer „Erfolg der Fraueneinrichtungen“. Die Mitarbeiterin des Vereins „Frauen helfen Frauen“, der in Köln zwei Frauenhäuser unterhält, sieht aber nicht, dass deswegen die Gewalt gegen Frauen zurückgeht. „Das Thema ist nach wie vor sehr brisant“, sagt auch sie. Welche Hilfen und Wege es für Frauen gibt, zeigen Kölns autonome Frauenprojekte morgen mit einem „Frauen-bewegten Straßentheater“, das zwischen 11 und 13 Uhr von der Domplatte über die Einkaufsmeilen zum Neumarkt zieht.

Eine spezielle Form der Gewalt gegen Frauen steht morgen bei einer Podiumsdiskusssion im Domforum im Mittelpunkt: die Zwangsehe. Das sei auch in Köln keine Seltenheit, sagt Elif Yesilgöz, Beraterin bei „agisra e.V.“, der Kölner Beratungsstelle für Migrantinnen. 2003 kamen deswegen 21 Frauen zu agisra, in diesem Jahr seien es „viel mehr“. Yesilgöz führt das vor allem darauf zurück, dass das Thema dieses Jahr in den Medien breit diskutiert worden ist.

Trotzdem sei die Dunkelziffer „immer noch sehr hoch. Viele Frauen trauen sich nicht, sich zu wehren.“ Außerdem würde manchen Frauen erst nach Jahren bewusst, dass sie in einer Zwangsehe stecken. „Oft fügen sich die Mädchen aus Gehorsam und Respekt gegenüber den Eltern.“ Mit dem Islam habe die Zwangsehe übrigens nichts zu tun, stellt Yesilgöz klar. Natürlich seien in Köln vor allem Türkinnen betroffen. Aber auch Frauen aus christlichen Ländern wie Griechenland oder Italien kämen in die Beratung. „Das Problem ist religionsübergreifend.“

Den Hauptgrund, warum Mädchen in Deutschland noch immer zwangsverheiratet werden, sieht Yesilgöz in den mangelnden Integrationsanstrengungen seitens der Politik und der faktischen Ausgrenzung der Migranten. „Deshalb halten sie an ihren traditionellen Gebräuchen und Werten fest.“ Trotzdem ist Zwangsheirat natürlich eine Verletzung der Menschenrechte, stellt sie klar.

Doch die Aufklärungs- und Beratungsarbeit von agisra ist gefährdet, fürchtet Yesilgöz. Die finanzielle Unterstützung, die der Verein bislang vom Land NRW bekam, laufe Ende des Jahres aus. In ständiger Geldnot sind auch die anderen Unterstützungsangebote für Frauen in Köln. Immer wieder müssten sie um ihre öffentliche Finanzierung bangen, beklagt Claudia Schrimpf von „Frauen helfen Frauen“. Aber solange Gewalt gegen Frauen ein gesellschaftliches Thema sei, „haben Stadt und Land die Verpflichtung, Geld zu geben und den Frauen zu helfen“.