Schwarz-gelb-grüne Koalition: Der dicke Filz an der Saar

Die saarländische Jamaika-Koalition basiert auf Korruption, behauptet der Autor Wilfried Voigt: In dem kleinen Land sei die Skandaldichte so hoch wie nirgendwo sonst.

Nach der Wahl im Saarland 2009: Peter Müller (CDU), Christoph Hartmann (FDP) und der Grüne Hubert Ulrich (v.l.n.r.) feiern die erste Jamaika-Koalition. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN taz | Wilfried Voigts "Die Jamaika Clique. Machtspiele an der Saar" rechnet nicht nur mit den Exponenten der das Saarland seit Ende 2009 regierenden Koalition aus CDU, FDP und Grünen und ihrer Geburtshelfer aus den Reihen der Wirtschaft ab.

Sein Buch ist vielmehr ein Soziogramm der von gnadenlosen Rachefeldzügen, widerlichen Korruptionsfällen, schmieriger Ämterpatronage und grotesken Allmachtsfantasien geprägten Politik im Saarland und ein kompakter Beleg dafür, dass die Skandaldichte in diesem kleinsten Flächenland der Republik größer als irgendwo sonst ist, weil "der Filz dort am dicksten liegt" (Voigt).

Voigt geht insbesondere mit dem Chef der Grünen, Hubert Ulrich, hart ins Gericht. Ihm wirft er Betrug am saarländischen Wähler vor, weil Ulrich, den sie an der Saar "den Panzer" nennen, nach der Landtagswahl Ende August 2009 zunächst zum Schein mit SPD und Linkspartei die Bedingungen für eine rot-rot-grüne Koalition ausgehandelt habe, dann aber überraschend zu Jamaika umgeschwenkt sei.

Dabei hätten die Grünen vor der Wahl fest versprochen, den amtierenden Ministerpräsidenten Peter Müller von der Union mit abzuwählen. "Während Ulrich bis zur Landtagswahl auf Deck stets Backbord ansagte, bereitete er in der Kajüte längst den Kommandowechsel zu Steuerbord vor", schreibt Voigt.

Und dass wohl nur Oskar Lafontaine den Braten schon früh gerochen habe. "Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern."

Wie Lafontaine meint auch Voigt, dass sich Ulrich im Netzwerk des liberalen Unternehmers Hartmut Ostermann verfangen habe. "Die Jamaika-Koalition wurde zusammengekauft und ist nicht auf demokratisch legitimierte Weise zustande gekommen", zitiert er den Landtagsfraktionchef der Linken Saar.

Fakt sei jedenfalls, dass Ulrich über Jahre hinweg nebenberuflich für eine Firma gearbeitet habe, an der Ostermann eine Beteiligung halte.

Insgesamt mehr als 200.000 Euro habe der Chef der Grünen dort "verdient", recherchierte Voigt, der zudem darauf hinweist, dass der millionenschwere Unternehmer auch und gerade die klammen Grünen mit einer äußerst großzügigen Wahlkampfspende bedacht habe.

Und Überraschung: Nach der Wahl saß Ostermann, der Kreisvorsitzende der Saarbrücker FDP, plötzlich mit am Koalitionsverhandlungstisch. "Wer zahlt, bestimmt", so die Konklusion von Voigt. Mit der "zusammengekauften Koalition" (Lafontaine) ist übrigens bis heute ein Untersuchungsausschuss des Landtags befasst.

So weit, so gut. Und in der Dichte der Darstellung ohne Beispiel. Voigt beschäftigt sich danach ausführlich mit der ganz und gar unglaublichen politischen Vita von Ulrich, arbeitet die Geschichte der schlagenden rechten Burschenschaft Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken auf - zu der Jamaika-Politiker aus den Reihen von CDU und FDP in Verbindung stehen -, und rechnet am Ende auch noch mit der FDP Saar ab (Stiftung Lessing).

Doch die immer neuen Namen, die vielen Querverweise auf die Historie und auf noch andere Affären und Skandale der involvierten Politchargen und des Paten von Saarbrücken (Ostermann) machen den Politkrimi zu einem nicht immer ganz ungetrübten Lesevergnügen.

An manchen Stellen geht es zu arg zäh und mit wenig Suspense zu. Wer die Protagonisten kennt, tut sich sicher leichter. Für alle anderen gilt dennoch: dranbleiben. Typen wie Ulrich etwa, von denen man gar nicht glauben mag, dass sie tatsächlich real existieren - und auch noch den Grünen angehören -, sind ja schließlich auch irgendwie Helden: in diesem speziellen Fall sich immer wieder neu erfindende Antihelden aus einem Endlos-Comic eben.

Wilfried Voigt: "Die Jamaika Clique". Conte Verlag, Saarbrücken 2011, 204 Seiten, 14,90 Euro

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