Die Supermarke

Vom sinnlichen Konsumerlebnis zum vernünftigen Einkauf: Das Label der Stiftung Warentest läuft den etablierten Marken den Rang ab

VON EDITH KRESTA

Nach Glamour und Lifestyle klingt es nicht. Eher nach Genossenschaft und sozialer Marktwirtschaft. Das Qualitätsurteil der Stiftung Wartentest, ein viereckiges Label, symbolisiert zwar keine Marke, läuft aber so mancher Marke den Rang ab. Wird zur Übermarke. Zum Beispiel, wenn die 24 Euro teure, exklusive Strumpfhhose von Wolford im Test viel schlechter abschneidet als die 3,30 Euro teure Strumpfhose von Woolworth. Während die Wolford-Strumpfhose laut Testergebnis ganz unelegant zu Löchern, Ziehfäden und Laufmaschen neigt, kann die Woolworth-Käuferin ihre Strumpfhose selbstbewusst wie das Prada-Täschen tragen. Der Luxuseinkäuferin sei ihr Konsumextremismus gegönnt. Markenfetischististen mögen sich rühmen, Angeber lächeln. Doch wer das Qualitätsurteil „gut“ auf seiner Nachtcreme von Schlecker, seiner Zahncreme von Aldi und der neuen Waschmaschine von Quelle im Badezimmer stehen hat, dem gebührt alle Ehre des aufgeklärten Käufers.

Stiftung Warentest hat Bauhausformat: demokratisch, praktisch, gut. Wie das Dessauer Bauhaus entstand der Verbraucherschutz zu Beginn der Industrialisierung. Auch die Genossenschaftsbewegungen oder die Lebensreformer in den 20er-Jahren waren im Kern Verbraucherschutzbewegungen. Im Nationalsozialismus wurde ihnen der Garaus gemacht. Stiftung Warentest hat ihre Wurzeln in der sozialen Bewegung. Sie steht bis heute nicht für verfeinerte kulinarische Hochgenüsse deutscher Spitzenköche oder andere veredelte Extravaganzen. Sie ist einfach nützlich. Stiftung Warentest, das ist das bekömmliche, schlichte Olivenöl mit massenhaftem Absatz und nicht das edle Tröpfchen direkt vom Exporteur. Das ist der preiswerte und trotzdem haltbare Lippenstift ohne Schwermetall, das Fleckenmittel, das tatsächlich hilft, die Lebensversicherung, die sich lohnt. Stiftung Warentest, das ist die etablierte, gesellschaftliche Mitte. Eine Forsa-Umfrage belegt: Vor allem diese Leute nutzen die Testergebnisse, Arbeiter und Singles hingegen eher nicht.

Wer zum vernünftigen Preis- Leistungsverhältniss die Espressomaschine für die Schwiegermutter, den Camcorder für die Gattin, das Potenzmittel für den Liebsten zu Weihnachten verschenken will, dem sei zu einem Blick in das neue Jahrbuch der Stiftung Warentest geraten. Wie die Zeitschriften Test und Finanztest ist auch das Jahrbuch eine Fibel für Verbraucher, ohne Anzeigen, ohne gell-inszenierten Auftritt und grafischen Blickfang. In dieser Zusammenstellung und Auswahl der diesjährigen Testergebnisse der Stiftung mit 112 Tests und Reports wird so manches No-Name-Produkt mit dem Qualitätsurteil gut oder sehr gut geadelt.

Besonders bei Kosmetik, Waschmitteln und den alltäglichen Dingen schneiden die Handelsmarken meist gut ab, zu einem Bruchteil des Preises der Markenartikel. Kein Wunder, werden die No-Name-Produkte doch nur allzu oft von dem Markenproduzenten mitproduziert. Sie sind das Aschenputtel der industriellen Produktion: ungeschminkt und ungerüscht, ohne aufwendige Verpackung und Werbeetat stehen sie in den Regalen. Und dabei sind sie häufig genauso gut wie die aufgedonnerten Marken. Sie sind nicht Ausdruck „des Verfalls der kulinarischen Kultur“, wie etwa die FAS spekuliert, sondern rein betriebswirtschaftlichen Gründen geschuldet: Die Firmen lasten mit diesen Produkten ihre Maschinen aus. Mit ihrer Mischkalkulation schöpfen sie Kaufkraft ab. Dabei kaufen viele immer noch das Markenprodukt selbst. Es ist eben teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.

96 Prozent der Bundesbürger kennen nach der Forsa-Umfrage die Stiftung Warentest. Damit ist sie bekannter als der Bundeskanzler. 19 Prozent davon nutzen die Ergebniss der Stiftung häufig, 48 Prozent ab und zu. Im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Institutionen wie dem Deutschen Bundestag, Greenpeace oder der Kirche genießt die Stiftung höchstes Vertrauen. Zu Recht: Neutralität ist der Grundsatz der Stiftung, qualifizierte aufwändige Untersuchungen in unabhängigen Labors und von unabhängigen Testern ihr Kapital. Heute geht es nicht mehr nur um das technische Produkt oder gesundheitsschädigende Inhaltsstoffe, heute geht es bei den Untersuchungen auch verstärkt um Tierhaltung und Umweltverträglichkeit. Und in Zukunft, so die Planung am Berliner Lützowplatz, sollen die sozialen Bedingungen bei der Herstellung eines Produkts, die Corporate Social Responsibility, stärker berücksichtigt werden. Ein schwieriges Unterfangen in Zeiten globaler Produktionsauslagerung von Berlin nach Bali, von Stuttgart nach Bukarest. „Bei diesen Untersuchungen sind wir auf die Zusammenarbeit mit Organisationen vor Ort angewisen“, sagt Warentest-Pressesprecherin Heike von Laak.

Bei der Industrie ist die unbestechliche Stiftung mit ihren entlarvenden Urteilen nicht immer beliebt. Für Wirbel sorgten zuletzt die Untersuchungsergbnisse zum neuen Preissystem der Deutschen Bahn: Sie bestätigten die verärgten Kunden und verstimmten Bahnchef Mehdorn nachhaltig. Immer mehr überprüft die Stiftung neben den klassischen Warentests auch Dienstleistungen, Gesundheitsangebote, All-Inclusive-Anlagen, Versicherungen und Aktienenpakete.

In Zeiten, wo Billigdiscounter und Second-Hand-Läden brummen, ist möglicherweise nicht nur Geiz geil, sondern der Preisvergleich für viele einfach angesagt. Nach einer Verbraucheranalyse der Verlage Bauer und Springer haben 43 Prozent der deutschen Haushalte weniger als 100 Euro monatlich frei zur Verfügung.

Verbraucherschutz ist eine Errungenschaft der sozialen Marktwirtschaft. Und mögen soziale Errungenschaft in Zeiten des Liberalisierungswahns auch zum unbezahlbaren „Luxus“ erklärt werden, so sucht der Verbraucher mehr denn je Orientierung auf dem Markt der unbegrenzten Angebote. Rinderwahnsinn, Geflügelpest, Maul- und Klauenseuche verstärken diesen Trend. Warentests sind der ultimative Lifestyle der wirklich Anspruchsvollen.

www.stiftung-warentest.deTestergebnisse: www.test.deJahrbuch der Stiftung Warentest, im Zeitschriftenhandel, 9,20 Euro