Internationale Atomenergieorganisation: Hilflos und stumm

Die wirtschaftliche Nutzung radioaktiver Substanzen will sie fördern, die militärische bekämpfen. Während der aktuellen Krise in Japan konnte die IAEA bisher nicht glänzen.

Die Zurückhaltung war bisher weniger Geheimniskrämerei als eigenem Unwissen geschuldet: Die IAEA in Wien. Bild: dapd

WIEN taz | Yukiya Amano, seines Zeichens Generaldirektor der International Atomic Energy Agency (IAEA), hatte sichtlich keine Freude an seinem Auftritt. Bei der wohl größten Pressekonferenz seit Antritt seines Amtes konnte er wenig mehr als Gemeinplätze von sich geben. Während in Fukushima der Reaktor 1 kurz davor war zu explodieren und hochradioaktive Strahlung in die Umwelt zu schicken, setzte Amano im fernen Wien stammelnd und in verheerendem Englisch auf Beschwichtigung. Die japanischen Behörden und die Betreibergesellschaft Tepco hätten alles unter Kontrolle. Von einer akuten Gefährdung der Bevölkerung sei nicht auszugehen.

Die IAEA war von der Presse gescholten worden, weil sie sich nach der Erdbeben-Tsunami-Reaktorkatastrophe drei Tage lang in Schweigen gehüllt hatte. Diese Zurückhaltung, das wurde während der Pressekonferenz deutlich, war weniger gezielter Geheimniskrämerei geschuldet als eigenem Unwissen. Die UN-Agentur bezieht ihr Wissen von der japanischen Nuclear and Industrial Safety Agency (NISA), die wiederum von der Betreibergesellschaft Tepco über die Entwicklungen in den beschädigten AKWs unterrichtet wird. Aufgabe der IAEA, so betonte Amano wiederholt, sei zweierlei: die Weitergabe von Information an ihre Mitgliedsstaaten und die Koordination von Unterstützung. Japan habe um Unterstützung angesucht, mehr sei noch nicht klar. Wie am Mittwoch durch eine WikiLeaks-Enthüllung im Daily Telegraph bekannt wurde, soll die IAEA im Übrigen Japan schon 2008 gewarnt haben, dass die Atomkraftwerke nicht für schwere Erdbeben gewappnet seien.

Trotz drohender Kernschmelze in Fukushima zeigte sich der japanische IAEA-Generaldirektor unerschüttert in seinem Glauben an die Atomkraft. Auf jede Frage nach Konsequenzen für beschlossene Laufzeitverlängerung von Alt-AKWs oder für die Atomindustrie überhaupt antwortete er stereotyp: "Was da passiert ist, war weder menschliches Versagen noch böse Absicht, es war eine unvorhersehbare Naturkatastrophe".

Förderung des Beitrags "der Kernergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand weltweit"

Die IAEA, gegründet 1957, mit ihren mehr als 150 Mitgliedsstaaten ist keine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, sondern mit diesen durch ein separates Abkommen verbunden und der Generalversammlung berichtpflichtig, wenn sie eine Gefährdung der internationalen Sicherheit fürchtet. Mehr als 20 Jahre bevor sich die österreichische Bevölkerung in einer Volksabstimmung 1978 gegen die Inbetriebnahme des AKW in Zwentendorf an der Donau ausgesprochen hatte, wurde sie als International Atomic Energy Commission in Wien angesiedelt. Damals galt die Atomenergie als Zukunftstechnologie. Erste Kraftwerke in der Sowjetunion und Großbritannien wurden als Pioniertaten bestaunt. Sigvard Arne Eklund, zweiter Generaldirektor der Kommission, ging 1962 davon aus, dass bis 1980 weltweit jedes zweite zusätzlich produzierte Megawatt Strom aus Atomkraftwerken kommen würde. Die IAEA setzte sich besonders für jenen Reaktortyp ein, der 1986 in Tschernobyl im bisher größten Atomunfall explodierte. Noch heute findet man auf ihrer Website eine Publikation (IAEO-Bulletin - Vol. 22, No. 2), die die Weiterverbreitung dieses Reaktortyps als "ökonomisch vollumfänglich gerechtfertigten Bau" darstellt und davon schwärmt, dass mit relativ geringem Aufwand eine Leistungssteigerung von 1.000 MWel. auf 1.500 oder gar 2.400 MWel. erzielbar sei. Selbst die Atomindustrie hält inzwischen 2.400 MW Leistung für zu hoch.

Satzungsgemäß hat die IAEA das Mandat, "den Beitrag der Kernenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand weltweit zu beschleunigen und vergrößern". Damit definiert sie sich als Lobbyorganisation der Atomindustrie. Einerseits muss sie die Verwendung radioaktiver Substanzen fördern, andererseits die militärische Nutzung dieser Technologie verhindern. Das betrifft vor allem die Weiterverbreitung von Atomwaffen. Deswegen ist sie im Iran, wo die Erzeugung eigenen Kernwaffenpotenzials noch verhindert werden kann, besonders gefordert.

In der Frage der Atomwaffentechnologie gibt die Agentur ein weniger unglückliches Bild ab. Man erinnert sich auch an die Mission des ehemaligen IAEA-Direktors Hans Blix, der 2003 dem Druck der USA standhielt und versicherte, der Irak verfüge über keine Massenvernichtungswaffen. Sein Nachfolger Mohammed al-Baradei wurde deswegen unter George W. Bush, der einen Vorwand für einen Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein brauchte, von der CIA systematisch belauscht. Die schwedische Akademie belohnte die konsequente Haltung der IAEA und ihres damaligen Generaldirektors Mohammed al-Baradei 2005 mit dem Friedensnobelpreis.

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