Trinken gegen Augenringe

Der Softdrink „Club-Mate“ ist gewöhnungsbedürftig – aber seine Freunde schwören auf die anregende Wirkung

Der erste Schluck schmeckt widerlich. Noch bevor die goldene Brühe den Magen erreicht, muss man das Gesicht verziehen. Vom Flaschenetikett lächelt einen die blaue Silhouette einer Latina mit mysteriösem Grinsen an. In der Hand hält sie ein blubberndes Getränk: Club-Mate, ein koffeinhaltiger Softdrink, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut – obwohl er nicht beworben wird.

Diese Firmenphilosophie beschert der Brauerei Loscher in Münchsteinach trotzdem gute Umsätze. In der Woche verlassen 2.000 Kisten Club-Mate den Geburtsort im Frankenland, mit stetigen jährlichen Zuwachsraten von drei bis sieben Prozent.

Das Geheimnis der Expansion von Club-Mate beruht auf der schlichtesten, aber effektivsten Verbreitungsmethode, die die Marktwirtschaft kennt: Mundpropaganda.

Bei der Benennung der Vorteile des Koffein-Getränks gegenüber anderen Softdrinks sind sich die meisten Konsumenten einig: aufgrund des Koffein- und Gerbstoffgehaltes vitalisiert Club-Mate lang anhaltend, ohne die lästigen Begleiterscheinungen wie die „Zucker“-Cola oder den „Zitter“-Kaffee aufzuweisen, ganz zu schweigen vom Chemiegeschmack der Aufputschgetränke Red Bull, Flying Horse und Konsorten.

Gewonnen wird das Tee-Extrakt aus dem Yerba-Mate-Strauch, einer Stechpalmenart in Südamerika. Das Anregungsmittel ist in Lateinamerika schon seit Jahrhunderten bekannt und genießt dort auch heute noch große Popularität – unsere Abbildung zeigt ein traditionelles Mate-Gefäß. Die Vorliebe schwappt nun langsam in Form von Club-Mate über Berlin, wobei die meisten Verkäufer der Brause in Friedrichshain angesiedelt sind.

Der türkische Cengiz Khan, Mitbetreiber des Kiezladens 21 am Boxhagener Platz, hat zu der wachsenden Beliebtheit des Getränks seine eigene Theorie. „Das erste Mal ist so: hm.“ Ein Schulterzucken beschreibt die mäßige Begeisterung des jungfräulichen Mate-Schlucks. „Aber dann!“ Seine Mimik signalisiert Begeisterung. „Jetzt trinke ich 2 bis 3 Flaschen am Tag.“ Seine Kunden tun es ihm gleich: „Manche sind süchtig danach.“

Der Kauf der nächsten Flasche bereitet schon eine kleine Vorfreude. Sobald der bläulich schimmernde Deckel zischend vom Flaschenhals befreit ist, kommt der erste kraftspendende Schluck. Weitere Züge leeren die Flasche mit hoher Geschwindigkeit. Der müde Geist ist mit einem Male hellwach, der schlaffe Körper ruft nach Tatendrang und für einen Augenblick scheinen sie verschwunden, die angeboren geglaubten Augenringe. Wo ist die nächste Flasche?

ADRIAN POHR