Auf offener Straße erschossen

Der niederländische Filmemacher Theo van Gogh, Islamkritiker und erklärter Gegner der multikulturellen Gesellschaft, wird in Amsterdam Opfer eines Attentats. Polizei nimmt 26-jährigen Tatverdächtigen nach Verfolgungsjagd fest

AMSTERDAM ap/afp ■ Der niederländische Regisseur Theo van Gogh ist gestern in Amsterdam auf offener Straße erschossen worden. Der 47-Jährige stand unter Polizeischutz, nachdem er im August mit einem islamkritischen Kurzfilm für Aufsehen gesorgt und Morddrohungen erhalten hatte. Zuletzt hatte van Gogh einen Film über den Mord an dem rechtsgerichteten Politiker Pim Fortuyn 2002 gedreht.

Die Polizei nahm nach eigenen Angaben einen Verdächtigen mit holländischer und marokkanischer Staatsbürgerschaft fest. Der Täter habe auf van Gogh geschossen und auf ihn eingestochen, teilte die Polizei mit. An der Leiche habe er eine Notiz hinterlassen. Der Sender Radio 1 zitierte einen Zeugen, wonach der Attentäter mit dem Fahrrad unterwegs war und auf van Gogh feuerte, als dieser aus einem Auto ausstieg. Eine weitere Zeugin sagte dem Fernsehsender NOS, der Angreifer sei offenbar Araber gewesen oder jemand, der sich als Muslim verkleidet habe.

Wie Polizeisprecher Eric Vermeulen mitteilte, floh der mutmaßliche Täter in einen nahe gelegenen Park und wurde dort gestellt. Bei einem Schusswechsel seien der 26-Jährige und ein Polizist leicht verletzt worden.

Vertreter der niederländischen Regierung und Königin Beatrix äußerten sich schockiert über die Tat. Regierungschef Jan Peter Balkenende warnte in einer ersten Reaktion vor vorschnellen Schlüssen über die Tathintergründe. Er würdigte van Gogh als „Vorkämpfer für die Meinungsfreiheit“, der sich aber wegen seiner offenen geäußerten Ansichten oft auch Feinde machte. Sollte er ermordet worden sein, weil er seine Meinung geäußert habe, wäre dies unerträglich. „Es herrscht ein Klima, das die Leute in Gewalt flüchten lässt“, sagte Balkenende. „Das ist beunruhigend.“

Van Gogh, der die multikulturelle Gesellschaft als einen Angriff gegen „die Normen und Werte der westlichen Gesellschaft“ kritisierte, hatte mit seinem fiktiven Kurzfilm „Submission“ Aufsehen erregt. Darin wird eine Muslimin zu einer Eheschließung gezwungen, von einem Verwandten vergewaltigt und wegen Ehebruchs bestraft wird. Das Skript verfasste eine rechtsgerichtete, aus Somalia stammende Politikerin, die sich selbst vom Islam losgesagt hat.

Außerdem schrieb der Filmemacher, ein Nachfahre des Bruders des Malers Vincent van Gogh, Kommentare über den Islam, die auf seiner Web-Site und in einer Zeitung veröffentlicht wurden. Sein letzter Film „06-05“ über die Ermordung von Fortuyn soll im Dezember im Internet zu sehen sein.

meinung und diskussion SEITE 11