Bundeswehr bleibt bei Streubomben

„Sie sind illegal und müssen aus dem Verkehr gezogen werden“, sagt ein Völkerrechtsexperte. Das Verteidigungsministerium beharrt, die wenigen tausend deutschen Exemplare seien ein Restbestand. Aus Bündnisverpflichtungen seien sie unverzichtbar

von SVEN HANSEN

Der Einsatz von Streubomben hat noch jedes Mal weltweite Empörung ausgelöst. In den Kriegen im Kosovo, in Afghanistan und zuletzt in Irak verwendeten hauptsächlich US-Truppen die Waffen. Gestern räumte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums ein: Die Bundeswehr verfügt noch über tausende der völkerrechtlich umstrittenen Bomben. Das Ministerium bestätigte damit einen Vorabbericht der SWR-Sendung „Report Mainz“.

Der Sprecher betonte, eine spezielle völkerrechtliche Regelung, die den Einsatz generell verbiete, bestehe nicht. Im Rahmen des Einsatzes solcher Munition würden die „allgemeinen Beschränkungen des humanitären Völkerrechts“ jedoch berücksichtigt. Dies gelte für das Gebot der Unterscheidung ziviler Objekte und militärischer Ziele. Der Völkerrechtsexperte Norman Paech hält die Bereitstellung von Streumunition dagegen für völkerrechtswidrig. „Nach dogmatischen Gesichtspunkten des Völkerrechts gibt es keinen Zweifel, dass sie verboten sind“, sagte er „Report Mainz“, „sie sind illegal und müssen aus dem Verkehr gezogen werden.“

Streubomben treffen wegen ihrer ungenauen großflächigen Wirkung vor allem Zivilisten. Die Bomben zerteilen sich noch in der Luft in viele kleinere Sprengkörper, die dann auf eine große Fläche niederregnen. Dabei explodieren aber nicht alle Sprengkörper, sondern einige der bewusst als Blindgänger konstruierten Minibomben verminen quasi das getroffene Gebiet und bilden dann auf Jahre eine Gefahr. Allein in Afghanistan sollen durch nicht sofort explodierte Streumunition zwischen Oktober 2001 und November 2002 127 Menschen getötet worden sein.

Die dort eingesetzten knallgelben Streubomben hatten zudem die gleiche Farbe wie die gleichzeitig von der US-Luftwaffe für die Zivilbevölkerung abgeworfenen Lebensmittelpakete. Noch heute verwechseln Kinder die gelben mit Flügeln und zum Teil Fallschirmen ausgestatteten Minibomben mit Spielzeug.

Menschenrechtsorganisationen fordern deshalb seit langem eine weltweite Ächtung von Streubomben. Weltweit verfügen 58 Länder über diese Waffensysteme. Laut „Report Mainz“ verfügt das Heer über Artillerie-Raketen, deren Gefechtsköpfe je 644 kleine Bomben enthalten. Die Luftwaffe habe BL-755-Bomben, die jeweils 147 Sprengkörper freisetzen können. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums hat die Luftwaffe seit Mitte 2001 bereits 8.000 Bomben des Typs BL-755 vernichtet. Wie viele sie noch vorrätig hält, sagte der Sprecher nicht, nur dass der jetzige Bestand „deutlich darunter“ liege. Aus bündnisrechtlichen Verpflichtungen, so heißt es bei der Bundeswehr, bestehe keine Möglichkeit, sich von diesen Waffen zu trennen.

In dem „Report“-Beitrag fordert Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) das Verteidigungsministerium auf, Streumunition aus dem Bestand der Streitkräfte zu entfernen. „Ich wünsche mir sehr, dass die Bundeswehr auf solche Art von Waffen verzichtet.“ Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, ebenfalls SPD, forderte ein weltweites Verbot dieser Waffen.

Die bündnisgrünen PolitikerInnen Angelika Beer, Claudia Roth und Winfried Nachtwei wurden gestern konkreter. Grünen-Chefin Beer verlangte die „umgehende Vernichtung“ der Waffen, der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Nachtwei will „als ersten Schritt“ ein „EU-weites Moratorium gegen den Einsatz von Streubomben“ erreichen.