Atompolitik weltweit: Indiens Regierung will 63.000 Megawatt

"Zahlreiche kleine Unfälle", von denen die indische Öffentlichkeit nichts erfährt, beklagt der indische Atomexperte M. V. Ramana. Andere wiegeln ab. Atompolitik in Indien.

Fukushima-Mahnwache in Indien. Bild: dapd

In kaum einem anderen Land können sich die Intellektuellen so gut streiten wie in Indien. Das gilt auch für Indiens Atomexperten - erst recht nach Fukushima. "Indien ist völlig desorganisiert und unvorbereitet, auch für einen Notstand viel geringerer Natur als jetzt in Japan", sagt Adinarayan Gopalakrishnan, der ehemalige Vorsitzende der indischen Atomenergie-Aufsichtsbehörde AERB.

Der Harvard-geschulte Atomingenieur Gopalakrishnan nutzt die Fukushima-Krise, um Alarm zu schlagen: "Die Notstandsvorbereitung der indischen Atomaufsicht gibt es nur auf dem Papier. Die Katastrophenübungen, die die Behörde selten genug durchführen lässt, sind mehr zur Show", sagt Gopalakrishnan. Den Ausbau der Atomenergie in Indien hält er deshalb für "verrückt".

Ganz anderer Meinung ist Gopalakrishnans ehemaliger AERB-Kollege Kallikattu Parthasarathy, der heute für die strategische Planungsgruppe der staatlichen Behörde für Atomenergie in Bombay arbeitet. "Unsere Atomaufsicht funktioniert unabhängig. Wir sind ein demokratisches Land. Unsere Öffentlichkeit unterstützt die Atomprogramme der Regierung", sagt Parthasarathy. Für ihn wird Fukushima keine langfristigen Folgen für das indische Atomprogramm haben. Zumal, wie er behauptet, "es bis heute keine Unfälle in indischen Atomanlagen gab".

In Kakrapar musste 1994 ein Reaktor überflutet werden

Da wiederum widerspricht der indische Atomexperte M. V. Ramana vom Nuklearlabor der Woodrow Wilson School in der US-amerikanischen Princeton-Universität. Er spricht von "zahlreichen kleinen Unfällen" in indischen AKWs, von denen die Öffentlichkeit nichts erfährt. Auch dann nicht, wenn, wie am indischen Standort Kakrapar im Bundesstaat Gujarat im Jahr 1994, ein Reaktor zur Notkühlung überflutet werden musste, eine Maßnahme, die jetzt auch in Fukushima ergriffen worden ist.

Ramana teilt die kritische Meinung Gopalakrishnans über die indische Atomsicherheit. Aber er macht sich keine Illusionen: "Vielleicht ist es noch zu früh, das zu sagen, aber ich tippe, dass Fukushima keine Auswirkungen auf das indische Atomprogramm haben wird."

Regierung will Atomkraft stark ausbauen

Das Programm aber hat es auf den ersten Blick in sich. Von einer derzeitigen Kapazität von 4.000 Megawatt aus insgesamt 20 meist kleineren Atomreaktoren will die indische Regierung die Kapazität der indischen Atomkraftwerke auf 20.000 Megawatt im Jahr 2020 und 63.000 Megawatt im Jahr 2032 ausbauen. Derzeit liefern AKWs gerade mal 3 Prozent des indischen Stroms, im Jahr 2050 sollen es 25 Prozent sein.

Ähnlich euphorisch, bei vergleichbar bescheidener Ausgangslage, ist die AKW-Planung in Pakistan, das Indien in Sachen Atom stets nacheifert. Hier hat man bisher 425 Megawatt Atomstromkapazität aus zwei Reaktoren (2,4 Prozent der landesweiten Stromerzeugung), will aber einen neuen 300-Megawatt-Reaktor chinesischer Bauart in diesem Jahr neu ans Netz bringen.

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