Das Konzept der groben Abschaffung

Falsches Spiel mit Integrierten Regelschulen: Deren Ende wurde von langer Hand in der Schulbehörde vorbereitet, um der CDU nach dem Munde zu reden. Elternproteste wurden einkalkuliert, Zusammenarbeit mit Integrationsforschern wird abgelehnt

von Kaija Kutter

Diese Eigeninitiative hatte schon verwundert. Am 7. September traten die CDU-Abgeordneten Marcus Weinberg und Robert Heinemann mit einen „Eckpunkte“-Antrag zur Abschaffung der Integrativen Regelklassen (IR) an die Öffentlichkeit. Nur 14 Tage später stimmte die CDU-Fraktion den Antrag in der Bürgerschaft durch und beauftragte damit die Bildungsbehörde, zügig ein „Umsetzungskonzept“ für die alternativ gewünschten Förderzentren zu erarbeiten.

Doch wie aus vier Papieren hervorgeht, die nun aus der Behörde gestreut wurden, setzten Weinberg und Heinemann hier etwas um, was die Referentin für Sonderpädagogik in der Bildungsbehörde, Astrid Dreher, bereits Monate zuvor niedergeschrieben hatte. Sie verfasste im November 2003 eine „Grobkonzeption“, in der sie die CDU-Eckpunkte skizziert, „Widerstand von IR-Schulen“ einplant und einen Zeitfahrplan festlegt.

Schon am 15. Juni hatte Dreher eine „Einsetzungsverfügung“ für die Behördenprojektgruppe entworfen, die das neue Konzept erarbeiten und dabei unter anderem „Verabredungen über den öffentlichen Umgang mit Widerständen“ treffen sollte. Protest von Förder- und Sprachheilschulen, die ebenfalls Klassen aufgeben, dafür aber größtenteils als „Förderzentren“ institutionell abgesichert werden (siehe Kasten), sah sie nicht. Diese würden „den Weg mitgehen“. Vieles sei „schon längst eingetütet gewesen, so dass die verantwortlichen Politiker hier nur Stichwortgeber sind für das, was die Behörde plante“, schlussfolgert Martin Eckart von der Elterninitiative „Leben mit Behinderung“.

Noch vor wenigen Tagen auf einem Diskussionsabend des Elternvereins versicherten Heinemann und Weinberg, die Vorlagen nicht zu kennen, denen sie jetzt folgen. Die beiden warben erneut für das Konzept, an dessen Ende „mehr statt weniger Integration“ stehen solle für Kinder, die zuvor per Gutachten diagnostiziert wurden.

Doch auch hier sprechen die Papiere eine andere Sprache. Unter „Rahmenbedingungen und Risiken“ erläutert Dreher am 24. September, dass die Ausweitung der integrativen Förderung keine zusätzlichen Kosten verursachen darf. Wenn deutlich werde, wie „vergleichsweise mager“ die Ressourcen seien, dürfte der Widerstand an IR-Schulen „neue Nahrung“ erhalten.

Dreher sagt voraus, dass der Förderbedarf der Kinder im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung „oft überschätzt“ und von einzelnen Schulen mit 40 bis 50 Prozent angegeben werde. Dies solle durch eine „gedeckelte Ressourcenzuweisung“ und ein „Ranking“ auf der Grundlage von Gutachten verhindert werden.

Damit werden für den Uni-Lehrbeauftragten Klaus Koch die schlimmsten Befürchtungen bestätigt: „Wenn es gedeckelte Ressourcen und ein Ranking nach Gutachten gibt, müssen sie bei der Diagnose sehr deutlich sein oder sogar übertreiben, um überhaupt an Mittel zu kommen.“ Im Ergebnis würden die Kinder als lernbehindert gelten, aber keine Förderung erhalten.

Dreher findet indes eine rüde Methode, diese vom Institut für Behindertenpädagogik der Uni geäußerte Warnung beiseite zu wischen. Sie stimme einer wissenschaftlichen Begleitung zu, schreibt sie. Allerdings müsste „objektive Wissenschaftlichkeit“ gewährleistet sein, die nicht von jenen zu erwarten sei, die sich „seit rund fünfzehn Jahren auf die IR-Organisation von Integration festgelegt haben“.

Ob sich genehmere Forscher finden? „Es gibt in der Bundesrepublik keinen renommierten Wissenschaftler, der nicht vor diesem Dilemma und vor Förderzentren warnt“, erklärt Psychologie-Professor Karl-Dieter Schuck. Selbst „glühendste Verfechter“ hätten Ende der 90er Jahre eingesehen, „dass es so nicht geht“.

Nur nicht in Hamburgs Bildungsbehörde.