Zwist über umstrittene Milchziegenfarm: Gemecker in Polle

Eine Riesen-Milchziegenfarm will ein Feinkostkonzern bauen. Bisher erhielt er keine Erlaubnis - das könnte sich ändern.

Ein Leben im Stall: Weidegang ist für die Ziegen der Pollener Ziegenfarm nicht vorgesehen. Bild: dpa

HANNOVER taz | Aus Sicht der Grünen-Landtagsfraktion ist die Hintertür geöffnet: Nachdem jetzt der Bau einer notwendigen Abwasserleitung zwischen Brevörde und Holzminden ausgeschrieben worden ist, rechnen sie mit einer Genehmigung für die umstrittenen Ziegenfarm im südniedersächsichen Polle. 7.500 Milchziegen möchte der Frischkäse-Hersteller Petri-Feinkost auf der Domäne Heidbrink halten - es wäre Europas größte Ziegenfabrik.

Mitten im Landschaftsschutzgebiet liegt das 250 Hektar große Areal, das die Firma aus Glesse vor zwei Jahren dem Land Niedersachsen abgekauft hatte. Drei Ställe möchte man dort bauen, Weidegang ist für die Ziegen nicht vorgesehen.

2010 war Petri-Feinkost mit diesen Plänen gescheitert, eine Baugenehmigung wurde nicht erteilt. Der Kreistag Holzminden hatte es abgelehnt, die Domäne aus dem Landschaftsschutzgebiet zu löschen. Ein Grund: die fehlende Abwasserleitung.

Eben die aber soll jetzt gelegt werden. 300.000 Euro wollen die Samtgemeinde Polle und der Kreis Holzminden zum 2,6 Millionen Euro teuren Pipeline-Bau beisteuern. Im Rahmen der Wirtschaftsförderung, so Landrat Walter Waske: Der Feinkostproduzent habe "in den vergangenen Jahren Gewerbesteuer in Millionenhöhe gezahlt", sagt er, "was wir jetzt zurückgeben, ist im Vergleich beschämend gering".

Auch Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hat Unterstützung für seinen Wahlkreis angekündigt: 1,1 Millionen Euro werde er auf Antrag des Wasserverbandes Ithbörde bewilligen, teilte er jüngst auf Anfrage der Grünen mit. Und berief sich dabei auf eine Richtlinie, die seit 2006 außer Kraft ist.

Für den Grünen-Landwirtschaftspolitiker Christian Meyer eine "Zweckentfremdung des Umweltetats": Nach heutigen Maßstäben sei eine Förderung der Pipeline nicht möglich, denn sie stelle keine Verbesserung der Umweltsituation dar. Meyer hat den Rechnungshof eingeschaltet: "Es kann ja auch kein Hartz-IV-Empfänger heute einen Antrag auf Arbeitslosengeld nach den Förderregeln von 2006 stellen."

Seit 1970 sitzt der Frischkäse-Produzent Petri-Feinkost im südniedersächsischen Glesse. Die örtliche Kläranlage Brevörde ist auf 8.000 Haushalte ausgelegt, rund 4.000 sind angeschlossen - dennoch ist sie überlastet.

Laut der Bürgerinitiative Weserbogen leitet Petri Abwasser ohne Vorklärung ein. 2009 seien die Grenzwerte an mehr als 150 Tagen überschritten worden. Derzeit transportiere das Unternehmen sein Abwasser per LKW zu umliegenden Kläranlagen.

Die Domäne Heidbrink, die Petri für den Bau einer Ziegenfabrik gekauft hatte, ist überhaupt nicht ans Abwassernetz angeschlossen.

In der erwähnten Richtlinie gehe es um "zusätzliche Nachweise", die Antragsteller erbringen müssen, erklärt dagegen eine Sprecherin des Umweltministeriums. Man wolle in Sachen Abwasserleitung "rechtlich ganz sicher gehen", sagt sie, "strenger sein" als es die aktuelle Gesetzeslage vorsieht.

Eben das wird vor Ort bezweifelt. "Wir befürchten, dass wir Bürger für die Abwasserleitung zur Kasse gebeten werden, um die Firma Petri zu halten", sagt Wilhelm Weißenborn von der Bürgerinitiative Weserbogen (BI) in Polle. Dem kommunalen Wasserverband konnte die BI das bereits nachweisen: Um fast die Hälfte hatte dieser im Jahre 2009 die Abwassergrundgebühr erhöht und dabei mit dem anstehenden Bau und Betrieb der Pipeline kalkuliert. Eine unbillige Auslegung, urteilte im Februar das Landgericht Hildesheim.

Rund um die Domäne Heidbrink, sagt Weißenborn, fehle es an Transparenz. Schon der Verkauf des ehemaligen Landesbesitzes an Petri sei "dubios" gewesen. Zur Sanierung des Haushalts hatte der Landtag die Veräußerung 2006 offiziell beschlossen. Der Zuschlag ging ohne öffentliche Ausschreibung an Petri-Feinkost.

Landeszuschüsse zur Abwasserleitung hatte Umweltminister Sander der Firma schon vorab bei einem Besuch zugesichert. Ist die Pipeline erst im Bau, werde Petri auch erneut die Baugenehmigung für den Ziegenstall in Angriff nehmen, befürchten BI und der Grünen-Abgeordnete Meyer. Landeszuschüsse für die Abwasserleitung, sagt er, "dienen der Förderung der Massentierhaltung durch die Hintertür".

Petri-Feinkost selbst war für eine Stellungnahme am Freitag nicht zu erreichen. Öffentlich Abstand hat das Unternehmen von seinen Massentierhaltungsplänen bislang nicht genommen. Auch Holzmindens Landrat Waske will nicht ausschließen, dass die Fabrik noch gebaut wird. Der Landkreis, sagt er, würde das begrüßen.

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