Ego-Trip statt Gruppentrott

Mit einem eigenen Trainer absolviert die Skilangläuferin Evi Sachenbacher die neue Saison, die heute mit dem Sprint-Weltcup am Rheinufer beginnt und deren Höhepunkt die WM in Oberstdorf ist

VON KATHRIN ZEILMANN

Die Langläuferin Evi Sachenbacher hat schöne Winter erlebt. 2002 war sie Staffel-Olympiasiegerin geworden, 2003 Weltmeisterin. In der vergangenen Saison jedoch blieben die Erfolgserlebnisse aus. Der Gesamt-Weltcup wies sie am Ende als Elfte aus, das wichtigste Rennen der Saison, den Wettkampf ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in Oberstdorf auf den WM-Strecken, brach sie vorzeitig ab. Die Kritik des Bundestrainers Jochen Behle war prompt gefolgt: zu viele Sponsorentermine, zu wenig Konzentration auf den Sport hätten die Leistung beeinträchtigt.

Welch schönes Klischee: Die nette, natürliche und fröhliche Evi Sachenbacher aus dem oberbayerischen Reit im Winkl wird überraschend Olympiasiegerin und Weltmeisterin, ist bei Sponsoren und in der Öffentlichkeit beliebt. Sie eilt von PR-Termin zu PR-Termin, von Empfang zu Empfang, anstatt eintönig Trainingskilometer abzuspulen. Die Konsequenz: Sie schwächelt, hat ihre Leistung zugunsten der Vermarktung geopfert.

Doch Evi Sachenbacher hat ihren Kritikern ein Schnippchen geschlagen. Im Frühling überraschte sie mit der Mitteilung, dass sie künftig ein individuelles Trainingsprogramm mit Wolfgang Pichler absolvieren und sich deshalb aus der Trainingsgruppe des Deutschen Skiverbandes (DSV) lösen werde. Der Langlauftrainer Pichler aus Ruhpolding, der die schwedische Ausnahme-Biathletin Magdalena Forsberg zu großen Erfolgen geführt hatte, ist ein wenig knorrig und verschroben. In die glitzernde Show-Welt, wo Sportveranstaltungen Events sind, Sportler sich für Sponsoren verrenken und braves Aushängeschild spielen, passt er so wenig wie Langlaufloipen in die Sahara.

Und eines lässt er schon gar nicht gelten: Dass Sachenbacher nicht mit Ehrgeiz und Leidenschaft ihren Sport betreibt. „Wenn ich nicht überzeugt davon gewesen wäre, dass sie es kann und will, hätte ich sie gar nicht trainiert.“ Sein Schützling sei engagiert, trainiere hart und konsequent. Dass der vergangene Winter nicht gut lief, liege keinesfalls an Sachenbachers Verpflichtungen abseits des Sports. „Gegen solche Vorwürfe nehme ich sie in Schutz. Sie hat im letzten Jahr einfach zu wenig trainiert. Das ist aber nicht ihre Schuld, denn sie hat das getan, was man ihr gesagt hat.“ Pichler hat klare Vorstellungen von dem, was er mit der Läuferin erreichen will: „Ich denke, dass sie in den nächsten Jahren eine Kandidatin für den Gesamtweltcup ist.“

Bei diesen Worten lächelt Evi Sachenbacher verlegen, sie sagt: „Das ist schon irgendwann mein Ziel, ja.“ Unter der Regie Pichlers hat sie ihr Trainingspensum deutlich erhöht. „Am Anfang habe ich über die Umfänge schon gestaunt. Aber ich vertraue ihm.“ Schließlich sei ihr das Mehr an Training sehr gut bekommen: „Ich fühle mich echt gut.“

Das Training mit einem Coach, der nicht den Strukturen des DSV angehört, anzugehen, war ein mutiger Schritt. Doch Evi Sachenbacher war nach der Vorsaison überzeugt, „dass sich was ändern muss“. Zwei wichtige Jahre mit der WM 2005 in Oberstdorf und den Olympischen Winterspielen 2006 stehen bevor, „da wollte ich einfach einen Trainer, der das Programm auf mich zuschneidet und nicht auf eine ganze Gruppe“, erklärt sie. Pichler weiß, dass er ein Risiko eingegangen ist, als er Sachenbacher Betreuung versprach. „Wenn es bei der WM 2005 schlecht für sie läuft, dann heißt es, der Pichler ist ein Trottel.“

Es war bislang nicht üblich, dass Athleten im DSV fast ausschließlich mit privaten Trainern arbeiten. Als die ehemaligen Skirennläuferinnen Michaela Gerg und Miriam Vogt einst abseits der Nationalteams trainierten oder Martina Ertl sich einmal einen Privattrainer für die technischen Disziplinen engagierte, sorgte das für große Aufregung. Auf Sachenbachers Ausscheren reagierten der Verband und Behle erstaunlich gelassen. „Da war ich selbst ein wenig überrascht“, gesteht Sachenbacher.

Behle versucht, ihren Alleingang als positives Signal zu sehen und jeder weiteren Zwistigkeit mit der Athletin aus dem Weg zu gehen: „Sie hat damit Charakter bewiesen, das ist doch eine gute Sache.“ Gut möglich, dass ihre Teamkolleginnen die Extras nicht so gelassen sehen, deshalb erklärt Behle: „Das ist ja keine Gruppe, die sich aus Freundschaft gefunden hat, sondern aufgrund der Leistungen miteinander trainiert.“

Das ist eine sachliche Basis, mit der die Langläuferinnen in die Saison gehen, die mit der WM im Februar ihren Höhepunkt hat und mit dem Sprint-Weltcup am Wochenende am Düsseldorfer Rheinufer einen leichten Aufgalopp. „Gradmesser kann das keiner sein“, sagt Sachenbacher. Aber vielleicht ein guter Auftakt für einen schönen und erfolgreichen Winter.