Fahndung nach zermahlenem Vieh

Foodwatch ist besorgt, da der Verbleib von 124.000 Tonnen Tiermehl nicht nachzuvollziehen ist. Dagegen hält das Verbraucherministerium die Foodwatch-Zahlen für falsch. Der Schutz vor BSE bleibe in jedem Fall bestehen

BERLIN taz ■ Geht in Deutschland Tiermehl in dunkle Kanäle? Diese Frage wirft die Verbraucherorganisation Foodwatch auf. Nach ihren Recherchen lässt sich der Verbleib von 124.000 Tonnen im letzten Jahr produziertem Tiermehl nicht aufklären. Die Rechnung basiert vor allem auf Daten des Statistischen Bundesamts. „Wir sagen nicht, sie sind verschwunden“, so Matthias Wolfschmidt von Foodwatch, „aber sie fehlen in der Statistik.“ Fraglich ist auch, wofür das Tiermehl eingesetzt wurde. Denn die für Haustiere verwandte Menge und mögliche Exporte sind bereits weitgehend abgezogen.

Das Verbraucherministerium zweifelt die Zahlen allerdings an. Die Werte seien zusammengestückelt aus unterschiedlichen Tabellen und dabei „konstruiert“, erklärte Verbraucherstaatssekretär Alexander Müller. Vor allem habe Foodwatch nicht berücksichtigt, dass Tiermehl auch verbrannt oder als Dünger eingesetzt werden könne: Ziehe man dies in Betracht, lasse sich der Verbleib der 124.000 Tonnen leicht erklären. „Foodwatch unterschlägt einige Verwendungen von Tiermehl“, kritisiert Müller.

Sind die Schätzungen also an den Haaren herbeigezogen? Das Statistische Bundesamt (Destatis) sieht das anders. In einem Schreiben an Foodwatch, das der taz vorliegt, erklärt der Produktionsstatistiker Wilhelm Bührer, dass die Schätzung der fehlenden 124.000 Tonnen „für uns nachvollziehbar“ seien. Auf Nachfrage der taz, wo diese 124.000 Tonnen geblieben seien, müssen allerdings auch die amtlichen Statistiker passen: Die Statistik erfasse nur die Produktion, die Verwendung werde nicht registriert oder von den Produzenten nicht angegeben.

Wofür wurde nun also die fehlende Menge verwandt? Sicher nicht zur Verbrennung, denn die kostet Geld. Dieser Anteil wird von Statistikamt gar nicht erhoben. Bleibt Tiermehldünger als einzige legale Nutzung. Doch der Warenwert beläuft sich laut Destatis auf durchschnittlich 222 Euro pro Tonne. „Wenn die Waren so teuer sind, kann es kein Dünger sein“, sagt Matthias Brendel, der für Foodwatch die Zahlen zusammentrug. Dünger aus Tiermehl erzielt einen Preis von lediglich rund 30 Euro. Was aus dem Tiermehl am Ende wurde, weiß auch Brendel nicht.

Denkbar wäre der Einsatz als Tierfutter oder gar als Lebensmittelzusatz. Erst vor drei Wochen deckte die britische Food Standards Agency (FSA), eine der Regierung zugeordnete, aber unabhängig arbeitende Lebensmittelaufsicht, auf, dass Tiermehl in britisches Bratfett gelangt war. Dies ist nach EU-Recht verboten, wenn die FSA auch anmerkt, dass ein gesundheitliche Gefährdung äußerst unwahrscheinlich sei.

Das Verbraucherministerium hat trotz seiner negativen Einschätzung der Foodwatch-Daten bei den Aufsichtsbehörden der Länder Berichte angefordert, ob es Hinweise auf Missbrauch von Tiermehl gebe. Zwei Drittel der Länder haben nach Auskunft von Staatssekretär Müller bislang geantwortet und allesamt „keine Hinweise“ entdeckt.

Allerdings ist auch Müller klar, dass die Kontrollen der Länder aufgrund der schlechten Finanzen nur eingeschränkt funktionieren. Nur sei das Risiko mehr als gering: Denn besagtes Tiermehl wurde aus so genanntem Kategorie-III-Material gewonnen – und ist damit frei von BSE-Risikomaterialien.

Zudem beruht der eigentliche Schutz der Bevölkerung auf drei ganz anderen Maßnahmen: Erstens werden alle möglicherweise infizierten Rinder getestet; zweitens werden BSE-kranke Tiere samt ihrer Herde gekeult; und schließlich wird drittens bei allen geschlachteten Tieren das Risikomaterial an Schlachthöfen entfernt – und schließlich verbrannt. Foodwatch verlangt trotzdem klare Meldevorschriften, damit künftig der Verbleib von Tiermehl eindeutig aufzuklären ist. MATTHIAS URBACH