Berater haben viele Fragen beim Thema ALG II

Die Vorbereitungen auf das Arbeitslosengeld II laufen. Der Verein „Solidarische Hilfe“ bildet Berater fort – aber noch immer sind viele Fragen unklar

Bremen taz ■ Sechs Stunden dauern die Crash-Kurse, mit denen die Solidarische Hilfe derzeit Sozialarbeiter und Verbandsvertreter fit macht, die die Arbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen in Geld- und Antragsfragen fürs Arbeitslosengeld II beraten sollen. Da ackert sich Herbert Thomsen, Urgestein der Solidarischen Hilfe und in dieser Sache Dozent, vor acht bis zwölf ZuhörerInnen durch den 25-seitigen Solidarische-Hilfe-Leitfaden. Und immer wieder fasst er Problembereiche zusammen in dem Satz: „Wie das geht, weiß noch niemand.“

Beispiel Kindergeldzuschlag. Nach dem Kindergeldgesetz können auch Arbeitslosengeld II-Empfänger – Sozialhilfeempfänger also, die mehr als drei Stunden pro Tag arbeiten könnten oder für Arbeitslose, deren Arbeitslosengeldbezug ausgelaufen ist – Kindergeldzuschlag beantragen. Der wird nach komplizierten Schemata errechnet und längstens drei Jahre gezahlt. „Auf den verschickten Fragebögen wird auch danach gefragt“, weiß Thomsen. Aber bei seinem Besuch kürzlich in der Kindergeld-Stelle im Arbeitsamt habe es geheißen: „Keine Ahnung. Wir verfolgen das auch nur aus der Presse.“ Auch Antragsformulare gebe es noch nicht. „Ein bisschen katastrophisch das Ganze“, wird Thomsen an diesem Tag noch öfters den Kopf schütteln.

Nächstes Kopf-Schüttel-Thema: Die 18-Jährigen. „Volljährige müssen eigene ALG II-Anträge stellen“, sagt Thomsen. „Das sagt man denen aber nicht. Das wird für einige ein böses Erwachen geben.“ Die Frauen vom Qualifizierungsträger für benachteiligte Jugendliche merken auf. Später werden sie von jungen Leuten berichten, die bisher aus allen Rastern fallen – und die von Arbeitslosengeld II bis jetzt sicher nichts gehört haben. Doch selbst wenn jemand weiß wo es langgeht ist das noch keine Garantie für Erfolg, berichtet Thomsen. Die Solidarische Hilfe jedenfalls hatte schon mehrfach mit jungen Leuten zu tun, die mit ihrem ALG II-Antrag vom Arbeitsamt ans Sozialamt und zurück verwiesen wurden. „Ein bisschen katastrophisch“, sagt er wieder. Und dass die Solidarische Hilfe so was per Einschreiben erledige. „Aber zu uns kommen ja nicht alle.“

Sechs Einrichtungen in Bremen und Bremerhaven hat die Solidarische Hilfe. Angefangen hat alles in den 80ern, als mit dem zweiten Arbeitsmarkt in Bremen auch die Erwerbslosenbewegung aufblühte. „Nur Politik war uns zu wenig“, erinnert sich der einstige Mitgründer Thomsen. 1987 entstand am Waller Volkshaus der erste Beratungsladen. Schon lange ist der geschlossen – staatliche Gelder und ABM-Stellen fielen im Ortsteil weg. Jetzt sitzt die Solidarische Hilfe mit ihrer Hauptniederlassungen direkt gegenüber vom Bremer Arbeitsamt, im Doventorsteinweg. Rund 15 Personen täglich suchen hier Rat – wie der junge Mann, dem die SWB AG gerade den Strom abgedreht hat. Oder die Frau, die nicht genau weiß, wie sie den Antrag ausfüllen soll, den ihr das Sozialamt zugeschickt hat.

Rund sechs Personen arbeiten zurzeit für den gemeinnützigen Verein – der regelmäßig aber beharrlich am Abgrund krebst. Spendengelder reichen nur aus, um zwei halbe Stellen zu finanzieren. Die Zuschüsse der Stadt wurden 2000 gestrichen. Weil die Solidarische Hilfe „zu links und zu frech“ sei, hatte damals die Grüne Fraktionschefin Karoline Linnert vermutet. Im kommenden Sommer laufen die zurzeit vier ABM-Stellen bei der Solidarischen Hilfe aus. „Wie es weitergeht, wissen wir noch nicht“, heißt es. „Mit Ein-Euro-Jobs haben wir unsere Bauchschmerzen“, sagt Thomsen. Aus Prinzip. Denn klar ist vor allem: Die Sachbearbeiter erleben einen Machtzuwachs, dem die ALG II-Bezieher weitgehend ausgeliefert sein werden.

Wer früher im Kürzungsfall beispielsweise von Arbeitslosengeld bei Bedürftigkeit zum Sozialamt gehen konnte, kann das im nächsten Jahr nicht mehr, mahnt Thomsen. „Wahrscheinlich müssen die Antragsteller deshalb die Kontonummer ihres Vermieters mit angeben.“ So könne in Kürzungsfällen die Miete direkt überwiesen – und Wohnungslosigkeit vermieden werden. „Notunterkünfte sind allemal teurer als eine gemietete Wohnung.“ Die Stadt werde also ein Interesse daran haben, dem mit Hartz IV leichter drohenden Wohnungsverlust entgegenzuwirken. „Dann müssen die Leute sehen, wo sie was zu essen herkriegen.“ Mietzahlungen werden die größten Probleme machen, glaubt man bei der Solidarischen Hilfe. Es gebe zu wenig günstigen Wohnraum. „Da muss was passieren. Sonst knallt’s.“ Eva Rhode

Spendenkonto Solidarische Hilfe 100 58 59, Sparkasse Bremen, BLZ 290 501 01. In einer Serie wird die Solidarische Hilfe immer mittwochs über die Tücken und die Fortschritte bei ALG II berichten.