Studenten besetzen Institut: Angst vor Umerziehung

Studierende des Rauhen Hauses besetzen angegliedertes Forschungsinstitut, um Studie über linke Jugendliche zu verhindern.

Besetzung mit Konfetti: Studierende demonstrieren gegen Forschungsarbeit über linke Jugendliche. Bild: H. Doose

HAMBURG taz | Konfetti regnet, ohrenbetäubende Musik dröhnt durch den Flur - StudentInnen kleben Aufkleber an Wände und Türen. Am Mittwoch besetzten rund 70 Studierende der evangelischen Sozialpädagogik-Fachhochschule Rauhes Haus zur Mittagszeit eine knappe Stunde lang das der Hochschule angegliederte Institut für soziale Praxis (ISP).

Grund für die Aktion ist eine Studie, die das Institut im Auftrag des Bundesfamilienministeriums durchführt. Bei dem mit gut 43.000 Euro dotierten Forschungsprojekt geht es um die Frage, "inwieweit linksextremistische Jugendliche und solche, die gefährdet sind, von den Angeboten der offenen Jugendarbeit in den Stadtteilen Hamburgs" erreicht werden könnten - heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Linke). Im Klartext: Können Jugendliche aus der "linksautonomen Szene" durch pädagogische Angebote wieder auf Kurs gebracht werden?

Für die Studierenden, die an der Besetzung teilnehmen, ist die "Extremismusstudie völlig inakzeptabel." Schon der Studienansatz setze "faschistische Ideologien mit linken Idealen gleich", degradiere Jugendliche mit radikal linken Utopien zu Objekten von pädagogischen Maßnahmen von Streetworkern und Sozialarbeitern. "Gelder, die früher für die Arbeit mit rechtsradikalen Jugendlichen ausgegeben wurden, widmet das Bundes-Ministerium jetzt für die Arbeit gegen Linksextremisten um", beklagt Asta-Referent Alexej Steinberg die neue Schwerpunktsetzung von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Autonome Jugendliche seien aber "keine Problemfälle, sondern fortschrittliche Kräfte", findet Steinberg.

Darüber hinaus beklagt der Asta, dass im Rahmen der Studie Jugendhilfeträger und linke Anwaltskanzleien aufgefordert wurden, von ihnen als linksautonom eingeschätzte Jugendliche zu benennen, um an diese als Interviewpartner heranzukommen. Da das Institut im Rahmen der Studie auch mit dem Verfassungsschutz und der Polizei zusammenarbeitet, befürchten die Studenten, das Institut mache sich "zum Büttel der Repression".

Institutsleiter Michael Lindenberg sieht das anders: "Es gibt keine Extremismusstudie am Rauhen Haus und wir benutzen den Begriff ,Linksextreme' ausdrücklich nicht, um jede falsche Gleichsetzung mit rechtsextremen Ideen zu vermeiden".

Der Frage, ob die Jugendhilfe Jugendlichen, die der linksautonomen Szene zugeordnet werden, Angebote machen soll, aber könne das Institut "kritisch nachgehen". Nach ersten Zwischenergebnissen der Studie werde aber ein spezieller "Zugang der Jugendhilfe zur linksautonomen Szene weder von den Trägern für sinnvoll erachtet, noch sei er aus der Sicht der Jugendlichen gewollt und hilfreich". Zudem erklärt Lindenberg, dass entgegen früherer Planungen "keine Interviews mit jungen Linksautonomen geführt werden" und "selbstverständlich an niemanden personenbezogene Daten weitergegeben" würden.

Den BesetzerInnen aber reicht diese Erklärung nicht aus: Sie fordern von Lindenberg "unverzüglich aus der Studie auszusteigen".

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