Ausbildung für Migranten: Pflegen als Einstieg

Jugendliche nichtdeutscher Herkunft werden auf dem Lehrstellenmarkt benachteiligt. Ein Projekt schafft Abhilfe.

"Wer soll die alten Menschen pflegen, wenn nicht die Migranten?", fragt Projektleiter Joachim Rüffer. Bild: ap

Die Geschichte, die Mohammed Jouni zu erzählen hat, ist typisch: Mit 12 Jahren kam er 1997 aus dem Libanon nach Berlin, als Bürgerkriegsflüchtling, Aufenthaltsstatus: geduldet. Ohne Deutschkenntnisse kam er hier in die letzte Grundschulklasse, dann schickte ihn seine Lehrerin zur Hauptschule. Mohammed hatte Glück: Dort entdeckte ein Lehrer die Fähigkeiten des Schülers, der trotz noch mangelhafter Deutschkenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften sehr gut war. Noch in der siebten Klasse wechselte Mohammed auf ein Gymnasium.

"Ich hatte gedacht, die Lehrerin meinte es gut mir mit", erinnert sich der 26-Jährige heute. "An der Hauptschule sind viele andere Kinder arabischer und türkischer Herkunft", habe ihm die Grundschullehrerin damals gesagt: "Da kannst du Arabisch sprechen und wirst schnell Freunde finden."

Stattdessen machte Mohammed Abitur, Notendurchschnitt: 2,8. Doch seine Erfahrung mit Diskriminierung war damit nicht beendet. Lebensmitteltechnologie wollte er studieren, aber sein Aufenthaltsstatus verbot ihm die Aufnahme eines Studiums. So landete Mohammed Jouni im Büro von Walid Chahrour, Flüchtlingsberater beim Beratungs- und Betreuungszentrum Wege ins Leben (BBZ).

Mit seiner Hilfe schaffte Mohammed den Einstieg ins Berufsleben, zunächst mit einem sechsmonatigen Kurs als Pflegeassistent. Eine neue Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge, die unterdessen erlassen worden war, ermöglichte ihm danach die Aufnahme einer richtigen Ausbildung. Heute hat Mohammed Jouni eine feste Anstellung als Krankenpfleger in einer Spandauer Klinik.

Mohammed war einer der ersten Jugendlichen, die von dem Ausbildungsprojekt profitieren, das das BBZ gemeinsam mit dem Zentrum Überleben des Zentrums für Flüchtlingshilfen und Migration (ZFM), dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) und den Vivantes-Kliniken seit 2006 durchführt. Am Freitag wurde die 500. Urkunde über erfolgreiche Teilnahme an den Pflegehelferkursen überreicht.

Das Projekt richtet sich nicht nur an Flüchtlinge, sondern an alle jungen MigrantInnen, erklärt Projektleiter Joachim Rüffer vom Zentrum für Flüchtlingshilfen und Migrationsdienste. Diese hätten mehr Probleme beim Eintritt ins Berufsleben als Jugendliche deutscher Herkunft: "Viele haben schlechtere schulische Ergebnisse. Aber auch bei guten Ergebnissen erleben sie Benachteiligung bei der Ausbildungsplatzsuche", so Rüffers.

Der Krankenhausbetreiber Vivantes als Ausbilder für Pflegeberufe habe sich als Kooperationspartner angeboten, weil "in dieser Branche die besonderen Kompetenzen von MitarbeiterInnen nichtdeutscher Herkunft erkannt und gebraucht werden", so Rüffer: "Die Zahl alter und pflegebedürftiger Menschen, auch Migranten, steigt enorm. Wer soll denn die Berliner künftig pflegen, wenn nicht sie?"

Berlin braucht junge MigrantInnen in der Pflege - so lautet auch der Slogan der Plakatkampagne, mit der das Ausbildungsprojekt jetzt um weitere Teilnehmer, aber auch um neue Betriebe als Kooperationspartner werben will. Bisher können Projektteilnehmer Ausbildungen als Kranken- oder Altenpfleger und Hebamme machen.

50 der 500 bisherigen Absolventen der Einstiegskurse für Pflegehilfe ist der Übergang in die dreijährige Berufsausbildung gelungen. Die Projektmitarbeiter betreuen die Jugendlichen während der Ausbildung, etwa mit Kursen für Deutsch als Fachsprache, aber auch bei sozialen Problemen.

Das 500. Pflegekurszertifikat nahm am Freitag Nabila Atiyeh entgegen, Tochter palästinensischer Flüchtlinge. Auch sie hat zuvor trotz guten Realschulabschlusses keinen Einstieg ins Arbeitsleben gefunden. Seit Anfang April macht sie nun eine Ausbildung zur Krankenschwester. "Das war schon immer mein Traumberuf", sagt Nabila.

Walid Chahrour vom BBZ wünscht sich mehr Betriebe, die sich in dem Projekt engagieren. Er hofft darauf, dass "Unternehmen nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial denken". In der jüngeren Generation seien schon 40 Prozent der BerlinerInnen nichtdeutscher Herkunft: "Das sind doch auch die Kunden von morgen!", sagt Chahrour. "Da muss es doch mal klick machen in den Köpfen der Unternehmer und Arbeitgeber."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.