„Seele von Mensch“

Gespräch mit Viktor Pasulko, Trainer der moldawischen Fußballer, über Bertis Schotten und Lobanowskis Witze

Viktor Pasulko (43) wurde 1988 unter dem legendären Trainer Waleri Lobanowski mit der UdSSR in Deutschland Vizeeuropameister und spielte ab 1990 bei Fortuna Köln und Eintracht Braunschweig in der zweiten Bundesliga. 1998 baute er den Fußballlehrer in Köln und trainierte dann in Durlach, Bonn und Fulda. Seit 2002 ist er Nationaltrainer in Moldawien und trifft heute als Letzter der WM-Qualifikationsgruppe 5 in Chisinau auf Schottland mit Trainer Berti Vogts.

taz: Herr Pasulko, wie wird man Trainer der Fußballmannschaft der Republik Moldawien?

Viktor Pasulko: Der Präsident des Verbandes ist ein Freund und hat mich gefragt, ob ich das Amt übernehmen wolle. Die Möglichkeit, hier etwas aufzubauen, war sehr reizvoll. Bei den Qualifikationsspielen zur EM in Portugal hatten wir tolle Ergebnisse, den historischen Sieg gegen Österreich zum Beispiel. Nach diesen Erfolgen war ich der Meinung, hier ist was zu machen, aber jetzt bin ich deutlich pessimistischer.

Warum?

Die Bedingungen im Umfeld kann man nicht mit denen in Europa vergleichen.

Was ist anders?

In Moldawien ist alles anders, hier gibt es keine Regeln, jeder macht, was er will. Die Präsidenten der acht Erstligisten wollen sich nur die Taschen voll stopfen, die Zukunft des Fußballs und der Spieler ist ihnen egal.

Ein Beispiel?

Juventus wollte einen wirklich sehr begabten Jungen verpflichten. Erst verlangte sein Verein zu viel Geld von Turin und am Ende haben sie den Spieler einfach weggejagt. Jetzt liegt er schwer krank im Krankenhaus. Er ist alkoholkrank – mit 21, das ist unglaublich. Solche Geschichten gibt es einige.

Der Verband schaut zu?

Der hat keine Macht. Aber das größte Problem ist die Politik. Noch nie habe ich den Ministerpräsidenten bei uns gesehen. Zuletzt mussten wir uns ein Flugzeug aus Litauen leihen, weil die Regierung uns kein Charterflugzeug zu einem Auswärtsspiel zu Verfügung stellte. Ich verstehe das nicht. Fußball ist doch ein Volkssport, von dem auch die Politik profitieren kann. Gegen Schottland spielen wir in einem Stadion in Chisinau, in dem seit 1949 nichts mehr verändert wurde. Dort einzulaufen ist beschämend. Dabei haben wir ein Stadion europäischen Standards in einer anderen Stadt, aber die Regierung will nicht, dass wir dort spielen. So ist das.

Macht Ihnen das alles noch Spaß?

Im Moment bin ich sehr frustriert. Die Liga hat ein deprimierendes Niveau, die Talente werden um ihre Zukunft gebracht. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der Teilrepublik Transnistrien belasten das Land, der beste Verein des Landes kommt aus Tiraspol in Transnistrien. Die stellen nur noch Spieler ab, wenn sie wollen. Die Spieler, die mir zur Verfügung stehen, spielen in ihren Vereinen in der Ukraine, Russland oder Bulgarien nur die zweite Geige. Aber trotzdem: Die Jungs wollen lernen und schauen zu mir auf.

Sie sind wohl eher Sozialarbeiter denn Trainer?

Auch. Aber das ist ein Vermächtnis von Waleri Lobanowski.

Was hat ihn ausgezeichnet?

Er war ein großer Mann, eine Institution. Die Presse hat ihn immer als einen Diktator bezeichnet, aber in Wahrheit war er eine Seele von Mensch. Er hat mit uns getrunken und gefeiert und war ein begnadeter Witzeerzähler.

Heute Abend spielen Sie gegen die Schotten. Mit deren Nationaltrainer Berti Vogts könnte es nach einer Niederlage vorbei sein.

Das wäre ungerecht. Schottland hat im Moment nicht die Spieler wie früher. Aber nebenbei bemerkt: Meine Situation ist nicht viel besser als die von Vogts.

Ist der Verbandsboss nicht mehr Ihr Freund nach drei Niederlagen zu Beginn der Qualifikation?

Doch, doch, aber auch hier bist du nur was, wenn du Erfolg hast.

Berti Vogts kann sich wieder einen Job in Deutschland vorstellen, Sie auch?

Das ist natürlich mein Ziel, zumal ich mit meiner Familie in Köln wohne.

Und wie geht es aus heute Abend?

In 90 Minuten kann man jeden schlagen, auch die Schotten.

INTERVIEW: TOBIAS SCHÄCHTER