Equal Pay in Bremerhaven: SPD aktiv für Zeitarbeit

Die SPD will Leiharbeit begrenzen und gleiche Arbeitsbedingungen für Zeitarbeiter. Außer in Bremerhaven: Da betreiben SPDler selbst eine Leiharbeitsfirma und schaffen der Zeitarbeitslobby ein Podium.

Zeitarbeiter sollen gleiche Arbeitsbedingungen wie Festangestellte bekommen: Nur in Bremerhaven nicht. Bild: dpa

BREMEN taz | Den "Missbrauch von Leiharbeit beenden" - für solche Vorstöße im Bundesrat heimst die rot-grüne Bremer Landesregierung des Öfteren Lob ein. Ebenso wie für den Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde, den das Bremer Tariftreuegesetz für die meisten öffentlichen Aufträge vorschreibt.

Die "Bekämpfung von Dumpinglöhnen" ist erklärtes politisches Ziel der Koalition - die SPD-Oberen in Bremens Schwesterstadt Bremerhaven jedoch nehmen es damit nicht allzu genau. Sie betreiben vielmehr selbst eine Zeitarbeitsfirma: Personal Aktiv heißt diese, sie ist zu hundert Prozent in Besitz der Stadt, Geschäftsführer sind der Bremerhavener SPD-Vorsitzende Siegfried Breuer und dessen Parteikollege Gerrit Michaelis.

Nach Auffassung von Ver.di unterstützt Personal Aktiv Unternehmen dabei, "den Kündigungsschutz zu umgehen", sagt Sascha Schomacker, in Sachen Leiharbeit aktives Mitglied der Gewerkschaft in Bremerhaven. Die Stadt bereichere sich durch "Ausbeutung von Zeitarbeitern". Das schade der Glaubwürdigkeit der Politik.

Ver.di forderte den Magistrat und die Stadtverordneten inzwischen öffentlich auf, sich "als Stadt Bremerhaven aus der stadteigenen Zeitarbeitsfirma Personal Aktiv zurückzuziehen". SPD-Chef Breuer müsse sich entscheiden, ob er nun SPDler oder Geschäftsführer einer Zeitarbeitsfirma sein wolle, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen in Bremerhaven, Sülmez Dogan.

Ver.di ist besonders sauer, dass Personal Aktiv unter der Ägide der beiden SPD-Geschäftsführer auch noch eine "Lobbyveranstaltung für die Zeitarbeit" auf die Beine stellt: Beim zweiten "Bremerhavener Zeitarbeit-Event" diskutieren Vertreter des Bundesverbands der Zeitarbeit (BZA), Geschäftsführer von Zeitarbeitsfirmen und SPD-Größen aus Bremerhaven die Vorteile der prekären Beschäftigung - zum Teil in Personalunion.

Eingeladen haben Breuer und Michaelis als Geschäftsführer von Personal Aktiv. Michaelis, der im Zweitjob Bezirkssprecher des Bundesverbands der Zeitarbeit (BZA) ist, wird die Begrüßung sprechen - und das Wort an den Vize-Chef des BZA übergeben, einen der Hauptredner. "Wachstumsbranche Zeitarbeit als Jobmotor" ist die Veranstaltung überschrieben. Der Oberbürgermeister von Bremerhaven, Melf Grantz, auch er SPDler, adelt sie mit einem Grußwort.

Der Bremerhavener DGB-Vorsitzende Karsten Behrenwald, der ebenfalls geladen ist, ging gestern auf Distanz. Er sei lediglich Gast einer Podiumsdiskussion und werde dort die Position der Gewerkschaften vertreten: Leiharbeit dürfe nur "zeitlich begrenzt" eingesetzt werden, um Produktionsspitzen abzudecken.

Außerdem müsse "100 Prozent equal pay" gelten - die LeiharbeiterInnen also nicht nur dasselbe Gehalt wie ihre fest angestellten KollegInnen erhalten, sondern auch dieselben Rechte, Urlaubsansprüche und Ähnliches bekommen. "Diese Kriterien sind bei Personal Aktiv nicht erfüllt", stellt Behrenwald klar. Personal Aktiv sei in diesem Punkt nicht besser als jede andere der Branche.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bremer Grünen, Silvia Schön, hat die umstrittene Firma des SPD-Chefs zum Thema einer Anfrage in der Bürgerschaft gemacht. Auf ihre Frage, wie lange die Leiharbeitskräfte jeweils beschäftigt worden seien, erhielt sie allerdings keine Antwort.

Dazu gebe es "keine statistischen Erhebungen", hieß es. Schön vermutet ein "großes Karussell" der LeiharbeiterInnen, die der Reihe nach bei verschiedenen Unternehmen eingesetzt und schlussendlich wieder bei Personal Aktiv landen würden: "Dieser Vorwurf steht zumindest im Raum."

Personal Aktiv verleiht mehrere hundert ArbeitnehmerInnen an Logistik- und andere Gewerbe, im Jahr 2009 setzte sie rund 6 Millionen Euro um. Allein 26.000 Euro gingen für Geschenke, Bewirtungs- und Werbungskosten drauf, weitere 7.800 Euro für "Bonuszahlungen an Kunden".

Welche Gehälter die Geschäftsführer beziehen, geht aus den Zahlen nicht hervor. Künftig sollen gar keine Details mehr öffentlich werden: Die kommunale Firma, formal eine "kleine Kapitalgesellschaft", sei nicht verpflichtet, Geschäftsberichte vorzulegen, teilten ihre Geschäftsführer dem Aufsichtsrat der Muttergesellschaft mit. Deren Geschäftsführer ist ebenfalls: Siegfried Breuer.

Nach eigenen Angaben zahlt Personal Aktiv den Leiharbeitern zwar seit März den Bremer Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde. Ob das allerdings auch gilt, wenn die Leiharbeiter in den Betrieben arbeiten, bleibt offen. Zu den politischen Zielen von Rot-Grün, sagt Schön, stehe die Firma in SPD-Händen daher "mindestens ideell in Widerspruch".

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