Neunutzung des Bahn-Hochspannungsnetzes: ICE-Trasse als Stromautobahn

Der Verkehrsminister will prüfen, ob das Bahnstromnetz auch der Stromwirtschaft zugute kommen kann. Rainer Brüderle findet die Idee gut. Überfällig, meinen die Grünen.

Im Hintergrund sichtbar: Stromleitungen an der Bahntrasse. Bild: Wolfram Jacob (Berlin) | CC-BY

FREIBURG taz | Die Idee klingt gut: Man könnte das Hochspannungsnetz der Deutschen Bahn ins allgemeine Hochspannungsnetz einbinden – und so die eine oder andere neue umstrittene Stromtrasse im Land verzichtbar machen. Der Bahnkonzern unterhält in Deutschland ein Netz von 7.800 Kilometer Länge, mit dem sich die Bahntochter DB Energie Zusatzeinnahmen verschaffen könnte.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat die Idee aufgegriffen. "Wir werden das prüfen", sagte er dieser Tage. Auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zeigt sich aufgeschlossen: "Eine enge Kooperation mit der Deutschen Bahn im Rahmen des Ausbaus des Stromverbundnetzes halte ich für wünschenswert." Ein Treffen von Fachleuten aus dem Verkehrs- und dem Wirtschaftsministerium, der Bahn und der Bundesnetzagentur soll nun Klarheit schaffen.

Interessant ist das 110-Kilovolt-Bahnnetz auch, weil es das einzige Hochspannungsnetz ist, das die gesamte Bundesrepublik von Nord nach Süd und von Ost nach West durchzieht. Das klassische Hochspannungsnetz hingegen ist in Deutschland in vier Zonen mit vier unterschiedlichen Netzbetreibern aufgeteilt.

Grünen-Anfrage zum Thema wurde eher abgeschmettert

Das plötzliche Interesse der Minister am Bahnnetz ist gleichwohl bemerkenswert. Hatte die Bundesregierung doch bereits Anfang April eine entsprechende Anfrage aus den Reihen der Grünen recht skeptisch beschieden. In der Antwort auf die Frage, ob man die "Nutzung des Bahnstrom-Fernleitungsnetzes im Regelstrommarkt" prüfe, hatte es geheißen: "Nach bisheriger Einschätzung werden die Nutzungspotentiale aufgrund technischer und planungsrechtlicher Erwägungen als sehr begrenzt eingestuft."

Zudem legt die Bundesregierung die Verantwortung des Netzausbaus allein in die Hand der Netzbetreiber. Sie gehe davon aus, heißt es in der Antwort, "dass Netzbetreiber von dem schon heute bestehenden Gebot der Infrastrukturbündelung Gebrauch machen".

Irritiert zeigen sich nun die Grünen, die das ursprünglich von der Bundesnetzagentur aufgebrachte Thema schon lange verfolgen. Ingrid Nestle, Sprecherin für Energiewirtschaft in der Bundestagsfraktion, sagt: "Die Bundesregierung verheddert sich im Bahnstromnetz." Sie habe sich offenbar gegen die Nutzung der Bahntrassen für den Transport von Ökostrom ausgesprochen, bevor sie überhaupt die Möglichkeiten untersucht habe. Jetzt erst, ein Jahr nach Beginn der Debatte, komme sie auf die Idee, das Konzept zu prüfen. So trage sie die Verantwortung für den stockenden Netzausbau.

Praktisches Problem: Die Netzfrequenzen unterscheiden sich

In der Praxis freilich gibt es noch einige Fragen zu klären. Zum einen sind die Netzfrequenzen unterschiedlich: Während das öffentliche Netz mit 50 Hertz arbeitet, ist das Bahnstromnetz traditionell auf 16,7 Hertz ausgelegt. Bei der Ein- und Ausspeisung von Strom müssten Umrichter die Frequenz also jeweils entsprechend anpassen

Wollte man das Leitungsnetz der Bahn in großem Stil nutzen, wären zudem neue Kabel und zum Teil höhere Masten nötig, weil die Übertragungsleistung aufgestockt werden müsste. Allerdings dürfte der Ausbau entlang der Bahnlinien im Vergleich zu neuen Trassen weniger Akzeptanzprobleme mit sich bringen. Und der Preis ist niedriger: Experten gehen von nur einem Viertel dessen aus, was klassische Hochspannungsleitungen auf neuen Trassen kosten.

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