Säbelrasseln für den Bestseller

Die Halle 2 auf dem Leipziger Messegelände ist ein Ort, den erwachsene Beobachter üblicherweise meiden. Die seriösen Messethemen – eBook, Buchpreis, Mauerfall – spielen hier keine Rolle. Vorne in der Halle wird die Kinder- und Jugendliteratur ausgestellt, weiter hinten liegt ein Bereich, der ganz eignen Gesetzen folgt: der von Comics und Fantasy.

Wer ihn ohne den Geleitschutz von jugendlichen Experten betritt, prallt erst einmal ab von so viel Fremdheit. Mangas, wilde Kreaturen, fantastische Rollenspiele finden sich an den Ständen. Wer die inneren Gesetzmäßigkeiten nicht kennt, könnte das alles für ein großes Durcheinander halten. Wer aber mit Kindern oder Jugendlichen hier durchgeht, der lernt schnell, Strukturen zu erkennen. Jedes vorpubertierende Mädchen weiß offenbar, worauf es gerade ankommt, zum Beispiel am „Twylight“-Stand die Kette von Alice zu ergattern. Und jeder pubertierende Junge steuert zielsicher auf den deutschen Fantasy-Star Wolfgang Hohlbein zu. Das Handyfoto wird dann gleich in die Welt gepostet.

Sich einmal in dieser Halle aufzuhalten, bietet eine ganz andere Perspektive auf diese Messe. Man ertappt sich bei dem Gedanken, dass die ernsthafte Literaturberichterstattung das eigentliche Nischenprogramm darstellt, während hier zwischen Weltraum-Epen und Drachen-Geschichten, zwischen großäugigen Mädchenfiguren und säbelrasselnden Monstern die Post abgeht. So voll wie hier ist es in den seriösen Hallen nur, wenn Wolf Biermann auftritt. Man muss sich den Weg bahnen durch immer neue Horden von als Mangas verkleideten Jugendlichen; Kostümierte erhalten freien Eintritt, aber die Kostüme strahlen mehr als Schnäppchenmentalität. Da ist eine Lust an Selbsterfindung, die beeindruckend ist. Und man ahnt: Die Initiation in die Welt der Bücher findet derzeit für viele Jugendliche über Rollenspiele statt.

Vielleicht bekommt man gerade in dieser Halle 2 einen realistischen Blick auf den derzeitigen Buchmarkt. Derzeitig meint: nach dem „Harry Potter“-Boom. Wenn man mal ohne Hochkultur-Scheuklappen drauf guckt, sind es nämlich die 11- bis 17-jährigen Mädchen, die gerade den deutschen Buchmarkt bestimmen. Was sie lesen, steht oben auf der Spiegel-Bestsellerliste – wie derzeit die „Bis(s)“-Reihe von Stephenie Meyer. Die gleich alten Jungen spielen auch mit; den neuesten „Artemis Fowl“-Band kriegen auch sie auf Anhieb weit nach oben in die Charts. Und die wirklich interessante Frage ist, was diese Kinder und Jugendlichen lesen, wenn sie 30 sind. DIRK KNIPPHALS