Straßennamen gegen das Vergessen

Heute werden in Kalk am neuen Polizeipräsidium zwei Straßenschilder eingeweiht: Die „Geschwister-Katz-Straße“ soll an die Verfolgung und Ermordung von Kölner Juden erinnern, die „Martha-Mense-Straße“, benannt nach einer Kommunistin, die gegen das Nazi-Regime kämpfte, an den Widerstand

Von Thomas Spolert

Straßennamen sind immer das Spiegelbild der Geschichte einer Stadt. Wenn heute in Kalk am Kölner Polizeipräsidium zwei neue Straßenschilder eingeweiht werden, dann erinnern diese an eines der dunkelsten Kapitel der jüngsten Vergangenheit: die Verfolgung und Ermordung von Kölner Juden und Regimegegnern im Nationalsozialismus. Die „Geschwister-Katz-Straße“ steht dabei symbolisch für die deportierten Juden. Die „Martha-Mense-Straße“ erinnert an den Kölner Widerstand. „Mit beiden Straßennamen wollen wir gegen das Vergessen angehen“, erklärt Karin Schmidt, grüne Bezirksvertreterin in Kalk.

„In Köln lebten Anfang der 30er Jahre knapp 20.000 Juden“, berichtet der Kölner Historiker Fritz Bilz, 200 von ihnen in Kalk. Die Familie Katz war 1905 aus dem Westerwald nach Köln in die Remscheider Straße gezogen. Drei der vier Kinder von Jakob und Berta Katz wurden in Köln geboren. Hautnah mussten sie erleben, wie am 1. April 1933 SA-Horden während des so genannten Judenboykotttages in ihrem Stadtteil wüteten. „Sie beschmierten die Fenster der jüdischen Geschäfte mit Hetzparolen und hinderten die Kunden daran, diese Geschäfte zu betreten“, skizziert Bilz die damaligen Ereignisse. Auf der Kalker Hauptstraße attackierte der braune Mob das Schuhgeschäft von Louis Spiegel und auf der Kalk-Mülheimer-Straße den Metzger Isaak Salomon.

Doch es blieb nicht bei diesen Übergriffen. 1938 wurde Jakob Katz, der als Reichsbahnbeamter arbeitete, zwangspensioniert. „Die Familie verlor damit ihre Existenzgrundlage“, so Bilz. Als im selben Jahr am 10. November in Deutz die Synagoge von den Nazis in Brand gesteckt wurde, wurde Sohn Bernhard verhaftet und nach Dachau transportiert.

Seine Eltern und seine Schwester Amalie erlitten ein ähnliches Schicksal. Sie wurden im Sommer 1941 in ein „Judenhaus“ zwangseinquartiert. „Dies waren Häuser aus beschlagnahmten jüdischen Eigentum“, erklärt Historiker Bilz. In jedes Zimmer pferchten die Nazis eine Familie. Im Oktober 1941 wurde die Familie Katz vom Bahnhof Deutz-Tief in das Lager Lodz deportiert. Später werden die drei – wie zuvor schon Sohn Bernhard – für tot erklärt.

Sohn Max Katz arbeitete als kaufmännischer Angestellter in der Chemischen Fabrik Kalk. Er wurde in den Düngekeller der Fabrik zwangsversetzt. Im Januar 1941 starb er an den Folgen der gesundheitsgefährdenden Arbeit. Als einzige der vier Geschwister überlebte Johanna Katz. Ihr Mann, der kein Jude war, versteckte sie bis Kriegsende. Über 9.000 Kölner Juden wurden von den Nazis umgebracht.

„Wir wurden durch das Projekt Stolpersteine von Gunter Demnig auf das Schicksal der Familie Katz aufmerksam“, erzählt die Kalker Bezirksvertreterin Karin Schmidt. Der Sohn von Max Katz, Fritz, hatte sich selbst an Demnig gewendet. Daher erinnern heute auch drei Stolpersteine vor dem Haus Nr. 67 in der Remscheider Straße an die ermordeten Familienmitglieder. „Fritz Katz hatte den Nazi-Terror bei seiner Tante, die im Bergischen wohnte, überlebt“, berichtet Josef König von der Geschichtswerkstatt Kalk. Fritz Katz starb im August 2002. Seine Frau und seine Tochter werden heute dabei sein, wenn die „Geschwister-Katz-Straße“ eingeweiht wird.

Die „Martha-Mense-Straße“ erinnert an eine Gegnerin des Nazi-Regimes, die bereits seit 1933 als Mitglied der KPD im Widerstand aktiv war. „Bevor irgend ein Wehrmachtsoffizier angesichts der drohenden Kriegsniederlage seine Opposition gegen Hitler entdeckte, waren schon Zehntausende politischer Gegner hingerichtet“, hebt Fritz Bilz den frühzeitigen Widerstand gegen das Nazi-Regime hervor. Martha Mense wurde zeitweise im EL-DE-Haus, der Kölner Gestapo-Zentrale, festgehalten und gefoltert. „Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurde sie zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt“, berichtet Fritz Bilz. Nach 1945 wurde sie Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und blieb weiter politisch aktiv. Sie kämpfte gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, gegen die Verjährung von Nazi-Verbrechen und gegen den Golfkrieg. Bis zu ihrem Tod 1998 ging sie in Schulen und erzählte den Schülern von den Nazi-Verbrechen.

„Frauen werden oft vergessen und benachteiligt, wenn es um die Präsenz im öffentlichen Raum geht“, bedauert Karin Schmidt. Daher hätte sich die Bezirksvertretung Kalk mit Martha Mense bewusst für eine Widerstandskämpferin entschieden, an deren Beispiel gebendes Leben der neue Straßenname nun erinnern soll.