Dominique Strauss-Kahn: Das vorzeitige Ende einer Karriere

Strauss-Kahn galt als Hauptkonkurrent für Nicolas Sarkozy. Jetzt sitzt der IWF-Direktor wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung in U-Haft. Stationen eines schillernden Lebens.

Frauenheld und anerkannter Politiker: Dominique Strauss-Kahn. Bild: imago/Cityfiles

PARIS taz | Für die Karriere des derzeitigen Generaldirektors des Internationalen Währungsfonds (IWF), des 62-jährigen Franzosen Dominique Strauss-Kahn, sieht es nach seiner Festnahme durch die Polizei von New York aufgrund einer Klage wegen sexueller Nötigung, versuchter Vergewaltigung und Freiheitsberaubung ziemlich düster aus.

Bis dahin galt Dominique Strauss-Kahn (in Frankreich stets DSK genannt) mit Abstand als der Hauptfavorit der französischen Präsidentschaftswahlen im Mai 2012. Obwohl der Sozialist seine Kandidatur noch gar nicht offiziell verkündet hatte, wurde ihm schon ein Erdrutschsieg mit 60 Prozent der Stimmen gegen den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy prophezeit.

DSK hatte zahlreiche Feinde - bei den politischen Gegnern wie in der eigenen Partei. Er wusste, dass sie nur auf ein Zeichen der Schwäche oder einen Fauxpas lauerten, um ihm den steil nach oben vorgezeichneten Weg zu durchkreuzen. Den Linken in seiner Partei und den Spöttern in den Medien galt er als Inbegriff eines "Kaviarsozialisten", der zwischen seinen politischen Überzeugungen und einem luxuriösen Lebenswandel jonglierte.

Vor ein paar Tagen kursierte ein Foto in den französischen Medien, auf dem er mit seiner Gattin, der ehemaligen Fernseh- und Starjournalistin Anne Sinclair, beim Besteigen eines schicken Porsches zu sehen war. Der schnittige Sportwagen ist allerdings nicht einmal sein Eigentum, sondern gehört einem mit ihm befreundeten Mitarbeiter der Industriegruppe Lagardère.

In anderen Medienberichten wurde - aus ähnlich durchschaubaren Absichten, aber fälschlicherweise - behauptet, DSK trage Anzüge, die vom Schneider des US-Präsidenten Obama gefertigt würden und 30.000 Dollar kosteten. Ebenso blieb seinen Kritikern nicht verborgen, dass seine Gattin als Erbin eines international bekannten Kunstsammlers nicht nur ein großes Vermögen, sondern namentlich eine Reihe kostbarer Bilder besitzt. Wenn das überhaupt jemanden in Frankreich interessierte, dann vor allem deshalb, weil vor ihm der gegenwärtige Präsident Sarkozy zu Amtsbeginn wegen seines Hangs zu Glamour und Luxus als "Bling-bling-Präsident" Anstoß erregt hatte.

Kann ein IWF-Chef als Sozialist gelten?

Familie: Geboren 1949 in Neuilly-sur-Seine, als Kind französisch-marokkanischer Eltern. Aufgewachsen in Marokko und Monaco. Er studierte an der Pariser Wirtschaftshochschule HEC und den Sciences Po. Parteikarriere bei den Sozialisten.

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Politik: 1991 berief ihn Präsident François Mitterrand als Minister für Industrie und Außenhandel in die Regierung Cresson. In der Regierung von Lionel Jospin wurde er 1997 Wirtschafts- und Finanzminister. 2007 unterlag er Ségolène Royal als Spitzenkandidat der Sozialisten für die Präsidentschaftswahlen. Im gleichen Jahr wurde er zum IWF-Direktor ernannt.

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Nachfolge: "Der IWF bleibt voll funktionsfähig" - mit diesem dürren Statement reagierte der Internationale Währungsfonds (IWF) auf die Nachricht der Verhaftung seines Direktors Strauss-Kahn. Dessen Geschäfte dürfte nun wohl bis auf Weiteres der langjährige erste Vizedirektor, der ehemalige US-Investmentbanker John Lipsky, übernehmen. Der wahrscheinliche Abgang des Chefs ist für den IWF dennoch kein großes Problem. Man war ohnehin wegen seiner erwarteten Präsidentschaftskandidatur in Frankreich darauf vorbereitet. Diverse mögliche Nachfolger stehen schon in den Startlöchern, darunter die französische Finanzministerin Christine Lagarde.

Gegen politische Angriffe war DSK auch in der eigenen Partei nicht gefeit. Da er seit Jahren eine betont gemäßigte, sozialdemokratische Linie vertrat, wurde vor allem von Parteilinken angezweifelt, ob der IWF-Chef, der in Washington über die Stabilität der kapitalistischen Weltwirtschaft wachte, als Sozialist gelten könne und in der Lage sein werde, in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen auch die Stimmen von Wählern der Linkspartei, der Kommunisten und grünen Alternativen für sich zu gewinnen. Als Bannerträger einer vereinten Linken erschien er diesen doch sehr markt- und wirtschaftsfreundlich.

Schon 2008 wäre der eben erst zum IWF-Direktor ernannte DSK um ein Haar über eine Sexaffäre gestolpert. Wegen seiner außerehelichen Liaison mit einer ungarischen Mitarbeiterin des Währungsfonds hatte deren betrogener Ehemann eine Untersuchung beantragt. Diese kam dann zum Ergebnis, dass DSK seine Geliebte nicht speziell bei ihrer Karriere im IWF protegiert habe. DSK wurde aber ermahnt, etwas besser aufzupassen.

Frauenheld und anerkannter Ökonomieprofessor

Und das habe er seither auch getan, so beteuern zumindest seine Mitarbeiter. Anne Sinclair ihrerseits verzieh ihrem untreuen Mann öffentlich den Seitensprung, vom dem sie aber wusste oder ahnte, dass es vielleicht weder der erste noch der letzte sein würde. Denn in Frankreich, wo man bei Politikeraffären mehr Diskretion walten lässt, gilt DSK als Frauenheld, der sich für unwiderstehlich hielt. Sein Biograf Michel Taubmann ("Le Roman vrai de Dominique Strauss-Kahn") meinte am Sonntag, gerade deshalb passe es gar nicht ins Charakterbild dieses Möchtegern-Casanova, sich brutal auf ein Zimmermädchen zu stürzen.

In Frankreich besitzt DSK jedoch auch den Ruf, ein ausgezeichneter Ökonomieprofessor und einer der besten Wirtschaftsminister gewesen zu sein, den das Land je hatte. Noch unter Präsident Mitterrand war er als sozialistischer Nachwuchspolitiker Industrie- und Außenhandelsminister. Der sozialistische Premierminister Lionel Jospin ernannte ihn 1997 in seiner Reformregierung für den Schlüsselposten des Finanz- und Wirtschaftsministers. Zwei Jahre später musste er bereits wieder abdanken, weil gegen ihn in Zusammenhang mit einer Unterschlagung der Kasse einer Studentenversicherung ermittelt wurde. Das Verfahren wurde eingestellt.

Dominique Strauss-Kahn musste bis 2007 warten, bis er mit dem Segen des neu gewählten Präsidenten Sarkozy auf den frei gewordenen Führungsposten beim IWF berufen wurde. Damals mutmaßte man in Paris, der konservative Präsident würde so auf elegante Art und Weise seinen vielleicht gefährlichsten Konkurrenten ins Exil verbannen.

In Wirklichkeit wurde DSK gerade wegen seiner Distanz zum politischen Tagesgeschäft zu Hause in Frankreich immer populärer. Zuletzt galt er laut Umfragen als so gut wie gewählt, falls er bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2012 gegen Sarkozy, Marine Le Pen und alle anderen antreten wolle. Der Favorit aber ließ seine Fans warten und seine Gegner in der Ungewissheit schmoren.

Nun scheint für die Nominierung des sozialistischen Kandidaten bei den internen Vorwahlen im Oktober und erst recht bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2012 wieder alles offen. In allen Stellungnahmen wird derzeit, mehr oder weniger energisch, auf die angebrachte Unschuldsvermutung verwiesen. Allein schon die Verfahrensweise der US-Justiz dürfte aber zur Folge haben, dass Dominique Strauss-Kahn bis zum Beweis seiner Unschuld oder des Gegenteils zu lange pausieren muss, um noch im Rennen zu bleiben.

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