Für ihn läuft alles kugelrund

Deutschlands bester Bowler Marco Baade spielt in der Berliner Landesliga. Der 27-Jährige ist einer der wenigen in Europa, der von seinem Sport leben kann. Um seine Klasse richtig auszuspielen, will Baade noch in diesem Jahr in den Vereinigten Staaten auf Wettkampftour gehen

Sonntagvormittag in einem riesigen Bowling-Center in der Neuköllner Hasenheide: Eine auffallend große Gesellschaft ist zugegen, knapp 20 Bahnen sind belegt. Es herrscht eine lockere Atmosphäre, jeder kennt jeden. Auch die Tische, von denen man aus auf die Bahnen schauen kann, sind zahlreich besetzt. Wäre es spät am Abend, würden einige der Spieler sich sicher wie moderne Kneipentriathleten – die auch Billard und Dart spielen – benehmen. Doch auf den Tischen stehen weder Aschenbecher noch Biergläser: Hier herrscht Alkohol- und Rauchverbot.

Die 50 Männer und 30 Frauen, immer fünf auf einer Bahn im mannschaftlichen Einheits-Look, sind Sportbowler. Es ist der letzte Spieltag der Saison in Berlins höchster Spielklasse. Unter ihnen ist auch Marco Baade, Deutschlands bester Bowler. Und wenn man über jemanden schreiben darf, dass ihm etwas in die Wiege gelegt wurde, dann über ihn. Schon seinen Vornamen verdankt Baade dem Bowling: Weil sich seine Eltern nicht einigen konnten, durfte die Betriebssportgemeinschaft mitentscheiden.

Mit Bowling in der Hasenheide ist Baade auch aufgewachsen. „Meinem Vater gehörte hier die alte Bahn. Da habe ich von klein auf gespielt“, erzählt der heute 27-Jährige. Mittlerweile spielt er nicht nur, sondern lebt auch von dem Sport. Zusammen mit seinem Freund Sven Riegel gründete Baade vor drei Jahren die Bowl Arena Spandau, wozu auch ein Shop, eine Sports-Bar und ein Team gehören.

Riegel, ebenfalls 27 Jahre alt, kümmert sich um die Finanzen und das Management: „Ein eigenes Team auf die Beine zu stellen, hatte natürlich auch Marketinggründe.“ Vor zwei Jahren haben Baade, Riegel und einige sportliche Weggefährten aus Bundesliga-Zeiten das unterklassige Team SBC TenPins übernommen und umbenannt. Seitdem arbeitet sich die Mannschaft nach oben.

Baade, aktuell Deutscher Meister, gehört seit 2002 zum Nationalkader, gewann im Vierer-Team (unter anderem mit Riegel) zwei Mal Silber bei Europameisterschaften und nahm im vorigen Jahr an der WM in Bangkok teil. Als einer von wenigen europäischen Bowlern kann er von seinem Sport leben. Nicht nur, aber auch wegen der Bowl Arena: Sie erleichtert es ihm, international zu starten. Insgesamt 12.000 Euro Preisgeld gewann Baade 2008 bei zehn Turnieren, womit er sein Startgeld sowie die Kosten für Anreise, Unterkunft und Verpflegung wieder rausbekam. Die paar Tage vor Ort konnte er sich sogar stets als Urlaub leisten, etwa in Barcelona, Istanbul oder San Marino. Dann kümmert sich Riegel allein um das Unternehmen und stellt zufrieden fest, dass er „Marco so den Rücken frei halten kann“.

Um mit Bowling richtig Geld zu verdienen, müsste Baade aber Europa verlassen. In den USA, wo Bowling sogar Schulsport ist, gibt es eine Profi-Tour. Dem Gedanken, sich dort zu versuchen, ist Baade nicht abgeneigt: „In naher Zukunft will ich da schon mal reinschnuppern.“ Bei internationalen Turnieren, etwa bei der WM, hatte er bereits Kontakt mit amerikanischen Profis: „Die haben mich ermutigt, mit auf die Tour zu gehen.“ Ein konkretes Ziel hat er auch schon: „Von August an findet ein riesiges Turnier in Las Vegas statt. 120 Bahnen nebeneinander. Das will ich mir mal angucken“, sagt er.

Der Arm darf nie weh tun

Dabei hat Baade einen weiteren Vorteil der eigenen Anlage ausgemacht: „Vormittags, wenn wenig los ist, geh ich allein auf eine Bahn und trainiere zwei, drei Stunden.“ Dann baut er eine Videokamera auf, um sich selbst für Analysen und Studien zu filmen. Sven Riegel charakterisiert Baade als Perfektionisten. Gerade deshalb sei er so gut: „Bowling ist ein Präzisionssport. Da ist vieles eher Kopf- als Kraftsache. Wenn der Arm schwach wird, macht man irgendwas falsch.“

Der Einzige, der ab und an mit Baade trainiert, ist Bodo Konieczny. Der 34-jährige Steglitzer kommt wie Baade und Riegel aus einer Bowling-Familie und kennt die beiden Freunde schon seit Jugendzeiten. In seiner Zeit als Berliner Landestrainer waren sie seine Schützlinge, heute sind sie seine Teamkameraden. So auch in der Hasenheide, wo das Arena Team Spandau überlegen ist und souverän die Aufstiegsspiele zur 2. Bundesliga erreicht. Es wäre der – nicht ganz überraschende – zweite Aufstieg in Folge.

Zum Abschluss spielen die fünf Bowler eine Runde, bei der sie einen Schnitt von beinah 240 Punkten pro Spieler erreichen. Ein sensationelles Ergebnis. In der Landesliga ist sonst ein Schnitt von 197 üblich, in der 1. Bundesliga einer von 204. Das Arena Team selbst kam in der Saison auf durchschnittlich 207 Punkte.

Am Ende des erfolgreichen Tages stoßen die Männer als frisch gekürte Berliner Meister an. Mit Bier. Alkoholfrei. JOHN HENNIG