Da waren’s plötzlich zwei

Kaum ist der Montagsprotest gegen Hartz IV in Berlin angelangt, kommt es zwischen den Veranstaltern bereits zum Zerwürfnis. Vorwurf: Orthodoxe Marxisten haben das Ruder übernommen

VON FELIX LEE

Es ist schon sehr ungewöhnlich, wenn eine Großdemonstration auf die Minute genau beginnt. In der Regel warten die Veranstalter nämlich mindestens eine halbe Stunde, damit auch der letzte Protestwillige nicht den Demo-Zug verpasst. Auf der ersten Berliner Großdemo gegen Hartz IV am vergangenen Montag war dem aber so. Um 18.20 Uhr war auf dem Alexanderplatz schon nichts mehr von den etwa 20.000 Teilnehmern zu sehen. Das Demo-Ende hatte bereits die Jannowitzbrücke erreicht.

Den Grund für den Pünktlichkeitswahn kannten zu dem Zeitpunkt nur Insider. Denn anders als noch auf dem gemeinsamen Vorbereitungstreffen abgemacht, hatte die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland (MLPD) die Spitze der Demo übernommen und marschierte einfach drauflos. Nicht nur, dass der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und MLPD-Freund, Fred Schirrmacher, bis Ende Oktober sämtliche Montagsdemos bei der Versammlungsbehörde blockiert hat. Um 17 Uhr waren die Linkssektierer bereits mit einem eigenen Lautsprecherwagen anwesend und beschallten den Platz mit volkstümlichen Arbeiterliedern. Als die Aktivisten von Attac, den Gewerkschaften und Sozialbündnissen kurz vor 18 Uhr eintrafen und wie vereinbart ihre Lautsprecherwagen aufstellen wollten, setzte sich die Menschenmasse bereits in Bewegung und grölte nichts ahnend die Parolen nach, die vom Wagen der Marxisten ausgingen.

„Wir hatten da keine Chance“, sagt Sascha Kimpel vom Berliner Sozialbündnis, einer der Initiatoren, die Anfang August die vielen verschiedenen Protestinitiativen zum gemeinsamen Treffen geladen hatten, um die geplanten Berliner Montagsdemos zu bündeln. Ihr Versuch ist nun aber gescheitert. Beim Vorbereitungstreffen der zweiten Montagsdemo in der Humboldt-Uni kam es nämlich zum Eklat. Als die Mehrheit der Anwesenden Schirrmacher und die MLPD aufforderte, alle Versammlungsanmeldungen an das Bündnis abzutreten, damit es nicht noch einmal zu einem Alleingang komme, verließen die 30 MLPD-Vertreter einfach den Raum.

Nun wird es diesen Montag zwei Demos geben. Denn die verbliebenen Teile des Bündnisses haben daraufhin beschlossen, eine eigene Demo anzumelden, die vom Roten Rathaus zur Grünen-Zentrale vor dem Neuen Tor führen soll. Der MLPD-Zug bleibt bei der Abschlusskundgebung vor der SPD-Zentrale. Welchem Zug die Massen folgen werden, ist dabei noch nicht abzusehen. Denn zumindest die Hartz-Betroffenen, die am vergangenen Montag auf der Straße waren, werden weder was vom orthodoxen Parteiprogramm der MLPD gehört haben noch von deren Unterwanderungsstrategien, die in linken Kreisen bereits berüchtigt sind. Wahrscheinlich werden die meisten einfach dem Wagen folgen, auf dem die klangvollsten Lautsprecher stehen.