„Mr. Quick-Fix“ will Zeit und Geld

George W. Bush wechselt den Kurs: Die internationale Gemeinschaft soll im Irak helfen. Fehler gibt er nicht zu, Gegenleistungen bietet er nicht an

aus Washington MICHAEL STRECK

Im Kabelkanal „Showtime“ lief am Sonntagabend die Doku-Soap „DC 9/11: Time of Crisis“. In ihr wird George W. Bush entgegen historischen Tatsachen als heroischer Präsident porträtiert, der nach den Terroranschlägen von der ersten Minute an furchtlos den Kampf gegen al-Qaida aufnimmt. Die Washington Post nannte den Film „einen primitiven Propagandastreifen und eine Beleidigung all jener, die bei den Anschlägen umgekommen sind“. Zeitgleich schwor der echte Bush in den TV-Networks seine Landsleute in einer Rede auf weitere Belastungen im Antiterrorkampf ein.

Die Rede war ein scharfer Kontrast zu der Jubelparade auf dem US-Flugzeugträger Anfang Mai, als Bush triumphal in Fliegeruniform „Mission erledigt“ verkündete. Voreilig, wie er nun selbst eingestehen musste. Es werde „Zeit dauern und Opfer kosten, bis die Feinde der Freiheit geschlagen sind“, sagte der oberste Feldherr nun in nüchternem Tonfall. Bush, der sich bislang stets sträubte, von den Amerikanern für die Stabilisierung des Irak und im Kampf gegen den Terror spürbare Opfer zu verlangen und sich als „Mister Quick-Fix“ verkaufte, will nun „ alles Nötige tun, alles Nötige ausgeben“, um den Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen.

Konkret wurde er lediglich bei den finanziellen Opfern. 87 Milliarden Dollar will er allein für das kommende Haushaltsjahr im Kongress zusätzlich beantragen. Davon sollen 66 Milliarden für militärische Aufgaben, der Rest für den Wiederaufbau im Irak und Afghanistan bereitgestellt werden. Mehr als die bislang im Irak stationierten 130.000 US-Soldaten ist Bush jedoch offenbar nicht bereit zu entsenden. Diese Truppenstärke nannte er „ausreichend“, obwohl er selbst einräumte, dass die US-Generäle im Irak eine zusätzliche multilaterale „Division“ fordern. Wie viele Soldaten insgesamt benötigt werden, um die Sicherheit im Zweistromland zu gewährleisten, und wann US-Truppen abgezogen werden, darüber schwieg Bush.

Mit keinem Wort erwähnte er auch die bislang nicht gefundenen Massenvernichtungswaffen, die gegenüber der Welt als Rechtfertigung für die Invasion angeführt wurden. Stattdessen erklärte er den Irakkrieg zur „Hauptfront im Antiterrorkampf“. Drei Ziele verfolgten die USA nunmehr im Irak: „Vernichtung der Terroristen, Werben für die Unterstützung eines freien Irak durch andere Nationen und Hilfe für die Iraker, Verantwortung für eigene Verteidigung und Zukunft zu übernehmen.“

Verantwortung für das Versagen bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung wollte Bush jedoch nicht übernehmen. Wer glaubte, der Präsident werde seine 15 Minuten nutzen, Fehler einzugestehen und seinen plötzlichen Sinneswandel, die Vereinten Nationen um Hilfe zu bitten, erklären, wurde enttäuscht. Ohne das Entgegenkommen von US-Seite anzuzeigen, forderte er die internationale Gemeinschaft auf, sich am Wiederaufbau im Irak zu beteiligen. So will er, dass eine neue UNO-Resolution klar das militärische Oberkommando in US-Hand festschreibt – eine Forderung, mit der die Sicherheitsratsmitglieder leben können. Den viel sensibleren Punkt, die zivile Verwaltung in Bagdad an die UNO zu übergeben, sprach Bush nicht an. Doch Außenminister Powell hatte vor der Rede klargestellt, die USA wollten auch hier die Kontrolle behalten.

Möglicherweise gibt es jedoch in dieser Frage Spielraum. Bush erteilte Powell die völlige Verhandlungsvollmacht bei der UNO. Der Chefdiplomat, namentlich geadelt in der Rede, ist in Washington der Mann der Stunde. Die vagen Äußerungen Bushs – kein Satz dazu, wie andere Länder sich an den Kosten des Irakeinsatzes beteiligen können, wie die Macht im Irak an eine einheimische Regierung übertragen werden soll – könnten auch dazu dienen, beim Poker im Sicherheitsrat dem Chefdiplomaten größtmöglichen Verhandlungsspielraum zu geben. Im besseren Fall obsiegt schierer Pragmatimus von Seiten der US-Regierung, die sich ein erneutes Scheitern schwerlich leisten können. Im schlechteren Fall gibt es für die einstigen Kriegsgegner und -befürworter ein Déjà-vu-Erlebnis im UNO-Sicherheitsrat. Denn ein Handaustrecken an die verprellten europäischen Alliierten war die Rede nicht, auch wenn Bush kurz mahnte, Differenzen über die Kriegslegitimation zu begraben.

„Dies ist typisch Bush. Die Regierung glaubt, sie kann die Sache mit einer Rede klären, anstatt harte Arbeit zu leisten und in die Länder zu reisen und sie zu überzeugen, dass wir gewillt sind, ihre Meinung zu hören“, kritisiert Ivo H. Daalder, vom Brookings Institute in Washington.

In die gleiche Kerbe schlugen auch führende Oppostitionspolitiker. „Eine 15 Minuten lange Ansprache kann 15 Monate der Irreführung darüber, warum wir in den Krieg gegen Irak ziehen mussten, und 15 Wochen des Missmanagements beim Wiederaufbau nicht wettmachen“, monierte der demokratische Präsidentschaftsbewerber Howard Dean.

Doch allein die Tatsache, dass sich Bush gezwungen sah, diese Rede jetzt zu halten und eine Internationalisierung der Irakbesatzung anzustreben, markiert selbst für schärfste Widersacher des Weißen Hauses einen „U-Turn“. Es war von Anfang an klar, dass es sich um keine Wunschrede handelt, sondern ein Pflichtprogramm für einen Präsidenten, dessen Ansehen in der eigenen Bevölkerung rapide gesunken ist, der seine Haut retten und nächstes Jahr wieder gewählt werden will. Denn Bush läuft Gefahr, die Wiederwahl wie sein Vater zu verspielen. „Eine gut laufende Wirtschaft kann für Probleme im Irak kompensieren. Ein befriedeter Irak jedoch nicht für eine schlechte Wirtschaft“, bringt es Larry Sabato von der University of Virginia auf den Punkt. Momentan sieht es an beiden Fronten düster aus.