Er schwitzt, er flasht

Der Liedermacher Bernd Begemann tourt auf Sinnsuche durch die Republik. Und immer mehr Fans können ihm folgen (Sonntag, 21.15 Uhr, 3sat)

VON ANJA MAIER

Es ist ein Bild wie aus den Siebzigern: Der Mann um die vierzig sitzt in seinem Audi, er metert über Deutschlands Autobahnen. Die Koteletten sind gepflegt, der dunkle Rollkragenpullover kaschiert schlecht das erste Hüftgold. Der Mann mit den Initialen BB im Nummernschild könnte Fissler-Töpfe-Vertreter sein, er könnte Insolvenzverwalter sein. Aber er ist etwas viel Besseres: Bernd Begemann, der Liedermacher seiner Generation.

„Bleib zu Hause im Sommer“ heißt der Dokumentarfilm von Bastian Günther. Es ist ein wunderbares Stück bundesdeutsche Selbstverortung. Günther begleitet seinen Protagonisten durch Clubs, zeigt, wie er Glück im Osten hat, wie er in trostlosen Hinterzimmern seine Konzertkrawatte anlegt, nach dem Konzert mit Frauen noch eine späte Rumba tanzt.

Begemann ist selbstredend ein Melancholiker. Man hat es geahnt. Er spricht vor der Kamera ungeschützt davon, „dem Volk eine Stimme“ geben zu wollen, von der Würde des Malochers am Fließband, davon, dass selbst seine Exfreundin ihm vorgeworfen habe, sich für seine Fans viel zu verfügbar zu machen. Da hatte sie zweifellos recht: Auf der Bühne wird aus dem Sänger eine schwitzende Rampensau mit aufgerissener Hemdbrust, die ihr Publikum auch gern mal über den letzten Bus hinaus unterhält. Und wenn Martin möchte, dass Sabine zu ihm zurückkommt, holt er ihn auf die Bühne und singt mit ihm für die Verflossene „Yesterday“.

Bastian Günther versetzt diese grandiosen Konzertmitschnitte immer wieder mit Straßenszenen, Wolkenbildern, Landschaften. Das wirkt geradezu therapeutisch. Denn Begemann ist so exzessiv wie nachdenklich. Und dieser Nachdenklichkeit verschafft Günther dramaturgisch Raum. Wenn Begemann allein in Lobbys sitzt, schweigend am Hotelfenster verharrt, schafft es der Film, den Eindruck von Posing zu umschiffen.

„Ich will dieses Land verstehen“, singt Begemann. Dazu würgt er seine Gitarre, er schwitzt, er flasht. Wie nahezu jeder, der im Punk seine Wurzeln hat, fällt ihm das Ankommen schwer. Es gibt kein Zurück, und irgendwie muss man doch noch erwachsen werden. Begemann will das, er versucht es mit seinen Songs, die er „ernst, schön und dramatisch“ nennt.

Denn jene, die meinen, der Mann frühstücke wohl jeden Morgen einen Kasper, irren. Live wird aus textlichem Klamauk wie „Macht Hildegard glücklich“ eine Reflexion über die Einsamen und Verachteten in diesem Land, ein Stück Sinnsuche. Und das spüren immer mehr. Selbst die Brigitte empfiehlt inzwischen ihren Leserinnen Begemanns Platten. Und es ist kaum anzunehmen, dass der Mann aus Bad Salzuflen etwas gegen diese oder irgendeine andere Zielgruppe hätte. Er ist einer der wenigen Musiker, denen man ein an sich banales Statement wie „Die Leute sollen beschwingt sein“ abnimmt.

Die Frage, ob der Künstler selbst etwas von dieser Beschwingtheit mit nach Hause nehmen kann, muss nach Ansicht des Films verneint werden. Wie gesagt: ein Melancholiker. Einer, der dieses Land verstehen will. Der verloren in seinem Hamburger Badezimmer steht und Colorwaschmittel in die Waschmaschine füllt. Einer von den Guten, einer von Format.