Industrie betreibt richterschelte

Überwiegend bedauern über baustopp für lange Airbus-piste. Gericht erklärt berufung auf eigentum an sperrgrundstück für rechtsmissbräuchlich. GAL rügt zockermanier

Marnette: „Die richter stellen den industriestandort Deutschland in frage“

Der baustopp des oberverwaltungsgerichts (OVG) für die abermalige verlängerung der Airbus-werkspiste wird von politik und wirtschaft weit überwiegend bedauert. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) kommentierte: „Wer den rechtsstaat will, muss auch urteile akzeptieren, die einem nicht gefallen.“ Werner Marnette, vorsitzender des Industrieverbandes, deutete dagegen an, wo der hammer hängt: Mit ihrer eil-entscheidung stellten die richter „nicht nur die industriepolitik des senats, sondern auch den industriestandort Deutschland in frage“. Dabei hatte das gericht auf nachlässigkeiten der planfeststellungsbehörde hingewiesen.

Airbus hatte die gewünschte pistenverlängerung mit der frachtversion des riesenfliegers A380 begründet. Der brauche bei auslieferungsflügen mehr platz zum starten und landen als die passagierversion. Dem OVG genügte das nicht. Die enteignung von zehn grundstückseigentümerInnen in Neuenfelde sei so nicht zu rechtfertigen. Nach der entscheidung liegen die enteignungen bis zum abschluss des hauptverfahrens auf eis.

Das gericht wies darauf hin, dass es den baustopp nicht zugunsten der 25 eigentümerInnen eines sperrgrundstückes ausgesprochen habe. Die berufung auf das eigentum an diesem grundstück sei „rechtsmissbräuchlich“. Der baustopp schützt nur das recht der zehn klägerInnen, die alleineigentümer oder -pächter ihrer grundstücke sind. Wirtschaftsstaatsrat Gunther Bonz, bewertete diesen hinweis des gerichts als „erfreulich“.

Ebenso erfreut zeigte sich Bonz über den hinweis des OVG, dass es den grundlegenden planfeststellungsbeschluss zur Airbus-werkserweiterung vom 8. mai 2000 im gegensatz zum verwaltungsgericht einstweilen nicht für rechtswidrig halte. Bonz: „Das gesamtvorhaben ist damit nicht in frage gestellt.“

Airbus-Sprecher Arndt Hellmann bewertete das genauso, wie sich auch seine stellungnahme stark mit der des bürgermeisters glich: Man müsse prüfen, wie die auslieferung der frachtversion doch noch möglich gemacht werden kann, hatte dieser gesagt.

Marnette dagegen, warf der wirtschaftsbehörde vor, sie habe das verhalten der richter falsch eingeschätzt. Es sei erschreckend, dass die richter die herausragende bedeutung der Airbus-erweiterung für die metropolregion nicht anerkannten. Marnette: „Alle unternehmen, die in Hamburg und Deutschland expandieren und arbeitsplätze schaffen wollen, müssen nun ihre investitionsentscheidungen im hinblick auf den richterspruch prüfen.“

Das gericht hatte unter anderem fehler der bürgerschaft und der an die wirtschaftsbehörde angebundenen planfeststellungsbehörde moniert: So begründete die behörde einen teil der verlängerungsstrecke mit dem wegfall einer ausnahmegenehmigung für einen besonders steilen landewinkel. Trotzdem habe sich die behörde beim bundesverkehrsministerium nicht um eine neue ausnahmegenehmigung bemüht, um die enteignungen zu vermeiden.

Die GAL forderte gestern eine lösung ohne pistenverlängerung. CDU und SPD hätten das vom gericht als nicht ausreichend gewertete enteignungsgesetz „in unvertretbarer zockermanier durch das parlament gepeitscht, ohne sich damit ernsthaft inhaltlich zu befassen“.Gernot Knödler