Helfer wollen keinen Militärschutz

Hilfsorganisationen lehnen einen Einsatz der Bundeswehr im afghanischen Kundus ab. Sie sehen in der Vermischung von zivilen und militärischen Aufgaben eine Gefahr für ihre Mitarbeiter. Heute entscheidet das Bundeskabinett über die Mission

aus Berlin SVEN HANSEN

Vor der heutigen Entscheidung des Kabinetts über die Entsendung eines so genannten Wiederaufbauteams der Bundeswehr in die nordafghanische Stadt Kundus haben Hilfsorganisationen gegenüber der taz den geplanten Einsatz scharf kritisiert. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen wies insbesondere Äußerungen von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) zurück, wonach ihre Ablehnung des Einsatzes darauf zurückzuführen sei, dass sie die Gefahren in Afghanistan unterschätze. Struck hatte vergangene Woche gesagt, die Helfer sollten für den Schutz durch deutsche Truppen „dankbar sein“.

„Strucks Äußerungen sind dreist, schließlich arbeiten wir seit 23 Jahren in Afghanistan“, sagte die Geschäftsführerin der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen, Ulrike von Pilar. „Wir wissen, es gibt große Sicherheitsprobleme, und wir wissen auch, dass die militärischen Wiederaufbauteams daran nichts ändern werden, ein einziges erst recht nicht.“ Die Bundesregierung plant, 250 Bundeswehrsoldaten nach Kundus zu schicken, die von Mitarbeitern deutscher Ministerien und der staatlichen Entwicklungshilfe begleitet werden. Sie sollen den Wiederaufbau militärisch absichern.

Doch Hilfsorganisationen bestehen auf strikter Aufgabentrennung zwischen Helfern und Militär. Eine Vermischung von humanitären und militärischen Aktivitäten, wie dies bei den Wiederaufbauteams der Fall sei, gefährde die Helfer, so Pilar. Es sei schon problematisch, wenn Angehörige der Teams in Zivil auftreten würden und damit die Grenzen verwischen würden. Laut Pilar sei ein US-Team im zentralafghanischen Bamijan plötzlich in einem Krankenhaus aufgetaucht, in dem ihre Organisation seit langem tätig sei, und wollte dies als sein Projekt übernehmen. Erst nachdem Ärzte ohne Grenzen mit einem völligen Rückzug drohte, seien die Militärs von ihren Plänen abgerückt. „Wir halten uns so weit wie möglich von diesen Teams fern“, so Pilar.

Der Sprecher der Deutschen Welthungerhilfe, Uli Post, sagt: „Wir arbeiten in Kundus seit Ende 2001 ohne Probleme. Wir haben ein Vertrauensverhältnis mit der Bevölkerung, das wir nicht durch Militär belasten wollen. Wir lehnen die Arbeit unter direktem Militärschutz ab.“ Wenn die Bevölkerung die Mitarbeiter nicht schütze, dann könne man dort nicht arbeiten. Die Welthungerhilfe arbeite seit 1993 in Afghanistan und könne deshalb die Risiken einschätzen. Man begrüße das Engagement für mehr Sicherheit, aber Kundus sei als eine der sichersten Städte der falsche Ort und militärische Teams die falsche Form. Besser sei es, die bisher auf Kabul begrenzte Schutztruppe Isaf auf unsicherere Orte wie Kandahar auszuweiten. Dort solle sich das Militär aber wie in Kabul auf die Sicherheit konzentrieren und den Wiederaufbau Hilfsorganisationen oder Firmen überlassen.

Nach Ansicht von Paul Bendix, Geschäftsführer der deutschen Sektion von Oxfam, müsse der Auftrag der Militärs lauten, strukturell für Sicherheit zu sorgen, aber nicht, die Hilfsorganisationen bei ihrer Arbeit bewaffnet zu begleiten oder deren Arbeit zu erledigen, wie dies zum Teil bei den Wiederaufbauteams geschehe. „Wenn Soldaten Saatgut verteilen, ist nicht mehr klar, ob sie Soldaten oder Helfer sind.“ Auch Lübbo Röwer, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes, sagt: „Wir können nicht besser arbeiten, wenn wir unter direktem Militärschutz stehen.“ Dies gefährde nur die Mitarbeiter.

Einzig Rupert Neudeck, Gründer von Cap Anamur und jetzt bei Grünhelme aktiv, sagt: „Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Bundeswehr kommt ohnehin nicht aus der Stadt Kundus raus.“ Gute Organisationen seien aber auf dem Land aktiv. Deshalb würde man sich kaum in die Quere kommen.