Heimat im Bunker

Der Schutzraum als Partykeller: Das spannende Filmprogramm zur Ausstellung „Embedded Art“

Mann, was für ein wahnsinniger Special Effect: „Und jetzt noch einmal in Zeitlupe“, sagt die ernste Stimme des Zivilschutzbeamten im Off, und zum zweiten Mal sieht man Druckwellen aus Staub und Hitze nach einer Atombombenexplosion über die drei kleinen Häuschen hinwegrasen, die zu Testzwecken in der amerikanischen Wüste aufgestellt wurden. Der siebenminütige Film „The House in the Middle“, 1954 von der Federal Civil Defense Administration der USA in Auftrag gegeben, appelliert an das Verantwortungsbewusstsein des Zuschauers und behauptet: Nur das ordentlich gestrichene Haus, in dem keine Zeitungen herumliegen und kein Müll im Hinterhof, sichert im Fall eines Atomkriegs das Überleben. Denn es steht noch als einziges. Zumindest in diesem Kurzfilm.

Die ungenannten Kameramänner dieses euphemistischen Streifens waren wohl in der für Filmemacher seltenen Lage, die Atomexplosion nicht simulieren zu müssen. Das eigentlich ist die erschreckendste Erkenntnis: wie viel atomare Zerstörungskraft im Namen der vermeintlichen Planung für größere Sicherheit freigesetzt wurde. Und diese unausgesprochene Botschaft ist die These, die das kleine Programm durchweg belegt, das Florian Wüst aus Propagandafilmen der Fünfzigerjahre und kurzen filmischen Reflexionen über die Sicherheitsversprechen der Architektur der Achtzigerjahre im Rahmen der Ausstellung „Embedded Art“ zusammengestellt hat. Wie in der Ausstellung in der Akademie der Künste am Pariser Platz geht es auch hier um die Kopplung von Sicherheit an Kontrolle und Überwachung.

„Machen Sie aus Ihrem Schutzraum einen fröhlichen Partykeller“ war eine der bundesrepublikanischen Broschüren überschrieben, die Ebba Jahn, Mitglied im frisch gegründeten Verband der Filmarbeiterinnen, 1982 zu ihrer Episode „Neue Heimat“ inspirierte. Damals klang das Versprechen von Sicherheit nur noch wie ein zynischer Witz, und das Durchspielen der Verhaltensregeln mutet wie absurdes Theater an. Die Rhetorik der Zivilschutzbehörden schaut nicht über den Bunkerrand und stelzt an allen sich aufdrängenden Fragen mit aufgesetzter Blindheit vorüber.

Spannend aber wurde das Filmprogramm, das sich am 17. und 18. März im Zeughaus Kino fortsetzt, vor allem, weil Florian Wüst die Szenarien für den Kriegsfall mit dem Zukunftsglauben der Nachkriegsmoderne verband. An den Anfang stellte er den Film „Fünf Meilen westlich“, 1958 von der Volkswagen AG in Auftrag gegeben, der, von triumphierender Musik begleitet, die Gewährleistung von Freiheit an die Produktion schöner, neuer, glänzender Automobile koppelte. Zum Ballett der schimmernden Radkappen auf den Produktionsbändern verkündete der Kommentator seine Vision: „Autofahren, um zu sich selbst zu finden.“ Heute ist es einfach, schlauer zu sein und zu wissen, wie begrenzt diese Vorstellung war. KATRIN BETTINA MÜLLER