Auf Liebe und nicht den Tod

Wie die banalen Ehebruchsgeschichten mit den aufgeladenen Machteffekten einer gefährlichen Liebschaftgekreuzt werden: Fanny Ardant, Gérard Depardieu und Emmanuelle Béart in Anne Fontaines Film „Nathalie“

VON CLAUDIA LENSSEN

„Nathalie“ ist ein Codewort, ein Rollenname in einem Spiel um Betrug und Selbstbetrug, das die bekannten Zutaten banaler Ehebruchsgeschichten mit den aufgeladenen Machteffekten einer gefährlichen Liebschaft kreuzt. Es geht um die Maskenspiele der Lüge, hinter denen sich verletzte Gefühle verbergen.

Alle Beteiligten, so viel vorweg, sehen gut dabei aus, vor allem zum vorsichtigen Happy Ending hin. Wie zur äußeren Bestätigung der eher konstruktiven denn zerstörerischen Dynamik des Erzählten sind das schwarze Augen-Make-Up von Marlène/Nathalie (Emmanuelle Béart) und die Netzstrümpfe ihres Animiermädchen-Kostüms von demselben Glanz wie die dunkle Eleganz ihrer Komplizin Cathérine/Fanny Ardant). Überhaupt fügen sich Ambiente und Garderobe des Pariser Bürgertums mit der Welt des Anmachlokals und Gelegenheitspuffs zu einer imaginären Sphäre, die einer Frau die Passage leicht macht. Die Farben harmonieren, die präzise Möblierung der Kontrastmilieus besticht, die Freundlichkeit und Perfektion von Frauen herrschen sowohl bei der Party der Oberschicht wie im Sex-Geschäft.

Cathérine, die Frau eines reisefreudigen Geschäftsmanns (Gerard Dépardieu), fasst den Entschluss, den Affären ihres Mannes etwas anderes als Leiden entgegenzusetzen. Den voyeuristischen Blicken, mit denen sie und die Kamera ihn beim Ankleiden und Kofferpacken beobachten, haftet eine unbestimmte Neugier auf seine Abenteuer an, ihre Rückzüge auf die eigene Seite im Bett zeigen dagegen die angestaute Fremdheit. Selten war Dépardieu so intensiv passiv das geliebte/gehasste Objekt des Begehrens. Der Regisseurin und Ex- Schauspielerin Anne Fontaine ist der Spaß an der subtilen Brechung von Star-Manierismen anzumerken.

Hat Cathérine ihre Lust verloren oder sie nur aus Gekränktheit verdrängt? Als Ärztin lebt sie ihr paralleles Leben, hat täglich mit den Körpern ihrer Patientinnen zu tun. Sie sieht gelegentlich ihren erwachsenen Sohn, aber mit ihrem Mann funktionieren die Verabredungen zu gesellschaftlichen Terminen kaum noch.

Einem Impuls folgend engagiert sie Marléne, gibt ihr den Namen Nathalie und setzt sie auf ihren Mann an, um diesen mit den vermeintlichen Klischees seiner Vorlieben zu ködern. Wenigstens vermittelnt will sie ins verloren gegangene Sexleben des Partners einbezogen sein. Die Bedingung: Jedes Detail der von ihr bezahlten Rendezvous will sie von Nathalie erzählt bekommen.

Eine bizarre Mischung aus Hörstück und Schaulust entwickelt sich so, man wird in die minimalistischen Regungen hineingezogen, mit denen Fanny Ardant den Geschichten Nathalies folgt und sich ihrer Faszination wie ihres Ekels bewusst wird.

Dem Mädchen, klug genug, die leichte Arbeit zu dosieren und zu steigern, gelingt es, die größtmögliche Absicherung und Zuwendung der reifen Frau herauszuschlagen – dies aber um den Preis pornografischer Details, die Cathérines Bereitschaft zur Akzeptanz kippen und sie so zur direkten Konfrontation – dem Coup des Drehbuchs (Anne Fontaine und Jacques Fieschi) – zwingen.

Die Béart, mit niedergeschlagenem Blick, aufgeworfenen Lippen und stets choreografierter Körperspannung immer eine artifizielle Kunstfigur, gibt mit Todernst ihr Bestes, exakt auf Linie für die Kokotten-Rolle. Nie weiß man, ob sie mehr fühlt als eine disziplinierte Melancholie. Fanny Ardant hat es mit ihren Talenten und ihrer Ausstrahlung leichter. Sie gibt der Ambivalenz von Cathérine mit leiser Komik Kontur, kann sich damenhaft sogar eine Frau kaufen, um ihren Mann bloßzustellen, zugleich aber damit einen Raum öffnen, in dem deutlich wird, dass Gefühle nicht käuflich sind.