X-tausendmal quer

Nach dem 1:1 im Uefa-Cup-Hinspiel gegen den AC Mailand könnte Bremen aus dem internationalen Wettbewerb ausscheiden. Werders Stürmern gelingt wieder einmal kein Treffer. Immerhin zeigt Diego, dass er es wirklich kann

Beckham! Nackt! Jedenfalls ab dem Hosenbund aufwärts. Man konnte durchaus eine drohende Nierenbeckenentzündung befürchten, als der Gaststar des AC Milan nach dem Abpfiff seine Tattoo-Sammlung durchs Weserstadion führte. Gerade knapp drei Minuten hatte er da nämlich gespielt, zu wenig, um richtig warm zu werden. Wobei gespielt auch schon ein Euphemismus ist – Ballkontakte hatte er nicht.

Milan-Trainer Carlo Ancelotti sagte später, die „Anwesenheit von Beckham auf dem Platz“ sei „nicht nötig gewesen“. Er habe lieber Ronaldinho und Seedorf auf dem Platz gelassen, um den Ball zu halten, und das habe gut geklappt. Kein Herz für kreischende Teenager hat der Mann, und mit seinen analytischen Fähigkeiten scheint es auch nicht zum Besten bestellt zu sein. Denn es waren die Bremer, die in diesem Uefa-Cup-Hinspiel über weite Strecken den Ball hatten.

Werder hatte mit gewaltigem Druck begonnen, bereits nach 5 Minuten hatten Tziolis und Almeida aus kurzer Distanz versäumt, den Führungstreffer zu erzielen. Da dachten die Ersten, es würde wieder so ein Spiel wie am vergangenen Wochenende gegen Mönchengladbach, als Werder nach 34 : 3 Torschüssen mit 1 : 1 Toren vom Platz ging.

Aber Milan ist nicht Gladbach. Die gefürchtete Abwehr hatte Trainer Ancelotti zwar auf fast schon revolutionäre Weise verjüngt auf Spielfeld geschickt: Neben Weltmeister Zambrotta (32) spielten drei Spieler, die erst in den Achtzigerjahren geboren wurden. Denoch war Ancelotti hinterher zufrieden mit seinen „Youngstern“ Senderos und Flamini (beide 24). Sie hatten sich nach den ersten Minuten gut auf Werder eingestellt. Die Bremer rannten sich immer häufiger fest und ab Mitte der ersten Halbzeit sah es aus, als hätten sie sich das Motto der wendländischen AKW-Gegner zu eigen gemacht: x-tausendmal quer. Clemens Fritz machte es einmal zu viel: In der 36. Minute legte er in der eigenen Hälfte quer auf Flamini, der Inzaghi zum 1 : 0 bediente.

Dass Werder in der zweiten Hälfte auch wieder die Tiefe des Spielfeldes nutzte, lag vor allem am überragenden Diego. Der nach Sperre in der Bundesliga hoch motivierte Regisseur betrieb beim vielleicht letzten Auftritt auf internationaler Bühne in dieser Saison mächtig Eigenwerbung. Man sagt, er habe wenig Lust, im kommenden Jahr nur Bundesliga-Mittelmaß zu spielen. Gegen Milan zeigte er, dass er mehr kann: Er holte sich Bälle tief aus dem Mittelfeld, spielte Klassepässe, behauptete sogar einmal den Ball mit einer Breakdance-artigen Pirouette auf dem Hintern. Und er schoss das wichtige 1 : 1 (84.). Da hatte Werder schon eine Reihe sehr guter Tormöglichkeiten vergeben, aber auch Riesenglück gehabt, als der 35-jährige Inzaghi einen Gewaltpass des 33-jährigen Seedorf ersprintete und gegen das Lattenkreuz schoss.

Beinahe hätte Werder noch gewonnen: Ambrosini köpfte in der Nachspielzeit an den eigenen Innenpfosten, den Abpraller jagte Pizarro in die Wolken und offenbarte das aktuelle Problem der Bremer: Die Stürmer treffen zu selten. Also doch wieder wie gegen Gladbach – bis hin zum Ergebnis. JAN KAHLCKE