Das Ziel: Kriegsführung erleichtern

5.000 Soldaten stellt die Bundeswehr für die Nato Response Force, die schnell zu Kampfeinsätzen in aller Welt aufbrechen soll. Bleibt da noch Zeit für die Abstimmung im Bundestag? „Ein wenig knapp“ könne es schon werden, sagt der Generalinspekteur

aus Berlin BETTINA GAUS

Große Veränderungen beginnen oft unauffällig. In dieser Woche wurde bekannt, dass die Bundeswehr in der Aufbauphase rund ein Viertel der insgesamt rund 20.000 Soldaten starken Nato-Einsatztruppe stellen will, die von 2006 an in vollem Umfang einsatzfähig sein soll. Der Verband soll die Effizienz der Nato stärken, so die offizielle Begründung der Allianz, die auf dem Prager Nato-Gipfel im November offiziell die Bildung der „Nato Response Force“ (NRF) beschlossen hat. Allerdings gibt es neben der militärisch-technischen Seite auch noch eine politische. Über die wird seltener gesprochen.

Zum Beispiel über mögliche Einschränkungen der Beteiligungsrechte des Bundestages. Die Bundesrepublik ist einer der wenigen Nato-Staaten, der Soldaten nur nach ausdrücklicher vorheriger Zustimmung des nationalen Parlaments in einen Einsatz schicken darf. Dieser so genannte Parlamentsvorbehalt könnte sich jedoch schon bald als technisch unvereinbar mit Bündnisverpflichtungen erweisen: Die ersten Einheiten der Nato-Einsatztruppe sollen innerhalb von nur fünf Tagen an jedem Ort der Welt sein können.

Wolfgang Schneiderhan, Generalinspekteur der Bundeswehr, räumt gegenüber der taz ein, dass es „ein wenig knapp“ werden könne, wenn ein Einsatz kurzfristig beschlossen werde und das Parlament gerade in den Sommerferien sei. Muss also das Gesetz geändert werden? Der Generalinspekteur hält es nicht für seine Aufgabe, das zu kommentieren: „Das müssen die Politiker regeln.“ Die Prognose sei gewagt: Sie werden es regeln – und mit dem „Sachzwang“ neuer Bündnisverpflichtungen eine Einschränkung der Parlamentsrechte für unabweisbar erklären.

Die NRF soll der erste multinationale Nato-Verband sein, der ständig einsatzbereit ist und zu Kampfeinsätzen in alle Welt entsandt werden kann. Damit erklärten sich die europäischen Nato-Staaten bereit, „den von den USA eingeleiteten Transformationsprozess der Nato mitzugestalten“, so die Neue Zürcher Zeitung. Anders ausgedrückt: Die Nato-Einsatztruppe hat das erklärte Ziel, die gemeinsame Kriegsführung zu erleichtern.

In operativer Hinsicht gibt es da tatsächlich einen Bedarf. „Die Möglichkeit, im Rahmen der Allianz gemeinsam und effektiv zu kämpfen, ist aufgrund der erheblichen Unterschiede in den militärischen Fähigkeiten der Bündnispartner kaum mehr gegeben“, schreibt Norbert Eitelhuber von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“. Wenn etwa Systeme zur verschlüsselten Kommunikationsverbindung nicht allgemein verfügbar seien, könne eine Streitmacht nicht modern geführt werden.

Manche Beobachter sehen in dem Aufbau der Einsatztruppe einen Hinweis darauf, dass Washington die Nato auch weiterhin ernst zu nehmen bereit ist. Allerdings bezweifelt niemand, dass alle Operationen der NRF angesichts der Überlegenheit der US-Streitkräfte unter dem Kommando der Vereinigten Staaten stehen werden. Aber geht es den USA tatsächlich nur um eine Stärkung der Nato – oder versuchen sie zugleich, den Aufbau einer gemeinsamen EU-Truppe zu verhindern?

Immerhin verfolgt Brüssel das ehrgeizige Ziel, bis zum Jahr 2004 eigene Krisenreaktionskräfte mit einem Umfang von bis zu 60.000 Soldaten aufzustellen. Müssen beide Vorhaben nicht zwangsläufig in Konkurrenz zueinander stehen, da Interventionstruppen nicht auf Bäumen wachsen und Nato-Staaten ja bereits jetzt immer wieder darüber klagen, an die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu stoßen? Wolfgang Schneiderhan sieht diese Gefahr nicht: „Ich bin davon überzeugt, dass das alles miteinander vereinbar ist. Wir überraschen uns ja gegenseitig nicht, wir stimmen uns ab.“

Was aber wird eine Bundesregierung mit großem Interesse an guten transatlantischen Beziehungen als höher einstufen, sollte es tatsächlich zu konkurrierenden Anforderungen kommen: EU oder Nato? Wenigstens eine Sorge ist nach bisheriger Rechtslage unbegründet: dass nämlich Truppen ohne ausdrückliche Zustimmung der jeweiligen Regierung in den Krieg geschickt werden können. Für eine Entsendung ist nach bisheriger Rechtslage weiterhin die einstimmige Zustimmung des Nato-Rats erforderlich. Die wäre beispielsweise im Irakkrieg nicht gegeben gewesen.