Affäre um Strauss-Kahn: Szenen einer Ehe

Anne Sinclair ist die Frau an der Seite Dominique Strauss-Kahns. Trotz all der schwerwiegenden Vorwürfe und seiner Seitensprünge hält sie zu ihm. Warum?

In guten wie in schlechten Zeiten: Anne Sinclait steht zu ihrem Mann. Bild: dpa

PARIS taz | "Ich glaube keine Sekunde lang an die Anschuldigungen, die man meinem Mann gegenüber macht. Ich hege keine Zweifel, dass seine Unschuld bewiesen wird." Von ihrer ersten Stellungnahme am Tag nach der Verhaftung von Dominique Strauss-Kahn wich Anne Sinclair bisher nicht ab. Sie hält eisern zu ihrem Gatten, organisiert mit den Anwälten seine Verteidigung und unterstützt ihn moralisch.

Ihre Präsenz an seiner Seite ist ein Plädoyer. Alle sollen wissen und sehen, dass sie ihn nicht hat fallen lassen - trotz der schwerwiegenden Anklage auf sexuelle Aggression und Vergewaltigungsversuch. Außer DSK selber und der 32-jährigen Nafissatou Diallo, die ihn beschuldigt, sich an ihr in einem New Yorker Hotel vergangen zu haben, ist Anne Sinclair vielleicht die Einzige, die im Detail weiß, was genau vorgefallen ist. Aber natürlich hat sie eine, unweigerlich sehr subjektive Version.

Dennoch oder gerade darum kommt man nicht umhin, sich zu fragen, wie ihr Mann ihr noch in die Augen schauen kann, falls auch nur ein Teil der Anklagepunkte wahr sein sollten. Und wie kann umgekehrt sie im Fall einer Schuld noch zu ihm stehen? Für die Öffentlichkeit ist diese Frau deswegen bereits ein Rätsel. Amerikanische Medien dagegen sehen in ihr eine Vertreterin einer französischen Gesellschaft, welche in sträflicher Weise die Augen verschließt, wenn es um den Sexismus von Männern mit Macht geht.

Wie ein Schutzschild

Sie selber scheint bereit zu sein, die ihr zugewiesene undankbare Rolle in dieser Affäre stoisch und mit Würde zu spielen. Ganz in Schwarz, einer Antigone der griechischen Tragödie gleich, erschien sie an der Seite ihres Gatten zur kürzlichen Gerichtsverhandlung, bei der dieser sich in allen Anklagepunkten für nicht schuldig erklärt hat. Den schlimmen Verdacht gegen ihn ostentativ ignorierend, hatte sie sich in die erste Reihe des Gerichtssaals gesetzt und ihrem Mann ermunternd zugelächelt.

Vor und nach der Verhandlung durchschritt sie aufrecht wie ein Paradesoldat das Spalier der Neugierigen vor dem Hochhaus in Manhattan: Auf der einen Seite die Journalisten und Kameraleute, auf der anderen die mit ihrer Kollegin Nafissatou Diallo solidarischen Hotelangestellten, deren Rufe "Shame on you!" (Schäm dich!) von ihr abprallten, als trüge sie ein unsichtbare Rüstung unter ihrem dunklen Zweiteiligen.

Für DSK, der bei diesem Auftritt unter der Anklage des Sexualverbrechens wie gealtert und gebeugt erschien, dient die ihm so treue Frau wie ein Schild. Verbissen will sie um den Ruf ihres Manns und ihrer Ehe kämpfen.

Anne Sinclair ist sich bewusst, dass sie mit ihrer derart zur Schau gestellten unverbrüchlichen Loyalität in den USA wie eine Komplizin angeschaut wird. Sie wird damit sogar selber zum Feindbild. Als sehr bekannte und einflussreiche reiche weiße Frau aus Europa wird sie sogar fast zum weiblichen Gegenteil der Klägerin, einer aus Afrika stammenden armen und ihre Tochter alleinerziehenden Nafissatou, die zu allem noch damit rechnen muss, in ihrer eigenen Gemeinschaft verstoßen zu werden.

Sie ließ ihm Sünden durchgehen

Heute aber wird mit dem Finger auf die andere Frau gezeigt, auf Anne Sinclair, als wäre sie mitschuldig, weil sie jetzt ihren Einfluss in den Medien als ehemaliger Fernsehstar geltende macht, und vor allem, weil sie ihrem Gatten in der Vergangenheit Sünden durchgehen ließ, die manche jetzt als Vorzeichen einer Fähigkeit zu weit schlimmeren sexuellen Verfehlungen interpretiert haben wollen.

Und vielleicht wolle sie das einfach nicht wahrhaben, so wie immer schon für sie die Untreue ihres "Strauss" kein Thema sein durfte? Die Schriftstellerin Laure Adler (ihr letztes Buch: "Les femmes qui aiment sont dangereuses"), erzählt, ihre Freundin Anne sei manchmal einfach vom Tisch weggelaufen, wenn das heikle Thema angeschnitten wurde. Ihrer ehemaligen Trauzeugin und engsten Freundin, der feministischen Philosophin Elisabeth Badinter, die mit ihr offen über DSKs Problem mit Frauen reden wollte, war sie deshalb monatelang gram.

Den Beobachtern war es nicht entgangen, dass Anne Sinclair ihren Gatten bei jener tumultuösen Ankunft vor dem New Yorker Gericht buchstäblich stützte. Sie ist die stärkere Hälfte in diesem Paar, für dessen Einheit sie verbissen streitet. Er braucht ihre Hilfe wie nie zuvor.

Sofort war sie Mitte Mai mit dem ersten Flugzeug nach New York geflogen, wo sie sich aus Prinzip weigerte, ihren zunächst in Rikers Island eingesperrten Gatten in demütigenden Sträflingskleidern zu sehen. Sie stellte danach die Kaution von einer Millionen Dollar in bar und die zusätzliche Garantie von fünf Millionen, suchte eine Wohnung und fand das Haus an der Franklin Street, das nun bis zum absehbaren Prozess dem Paar als luxuriöses Heim dienen soll.

Auch die vom Richter angeordnete Überwachung sowie die beiden Staranwälte und deren Auslagen für Privatdetektive muss sie bezahlen. Auch wenn sich DSK nicht, wie dies zurzeit einige vermuten, mit einer finanziellen Abfindung von mehreren Millionen für Nafissatou Diallo aus der Affäre ziehen sollte, wird seine Verteidigung Anne Sinclair ein Vermögen kosten.

Sie zahlt für ihn

Sie kann sich das leisten, als Enkelin des bekannten Kunsthändlers Paul Rosenberg besitzt sie Schätzungen zufolge rund 50 Millionen, zahlreiche Gemälde von Meistern von unschätzbarem Wert, außerdem Wohnungen und Häuser in Paris, in Washington und Marrakesch. Weil ihr Großvater 1940 vor den Nazis in die USA flüchten und so einen Teil seiner Kunstschätze retten konnte, kam Anne Sinclair 1948 in New York auf die Welt.

Dass sie ohne zu zögern ihre Person und auch ihr Privateigentum in die Waagschale wirft, um ihre Ehe zu verteidigen, hat in den USA beeindruckt. Wie immer reagierte sie fast reflexartig solidarisch mit ihrem exponierten Gatten. "Anne ohne Dominique und Dominique ohne Anne, das ist unvorstellbar", beschrieb der mit beiden befreundete frühere Kulturminister Jack Lang das Paar.

An Bewährungsproben mangelte es nicht in der Vergangenheit. Als 2008 die Liaison mit einer ehemaligen ungarischen IWF-Mitarbeiterin Schlagzeilen machte, verzieh ihm Anne Sinclair öffentlich diesen Seitensprung und erklärte gar auf ihrem Blog, sie liebe ihn "wie am ersten Tag".

Als sie sich kennenlernten, war sie in Frankreich ein Star, er aber erst ein sozialistischer Nachwuchspolitiker. Millionen von Fernsehzuschauern kannten sie aus ihrer politischen Sendungen "Sept sur sept" und "Questions à domicile" nicht bloß dank ihrer strahlend blauen Augen, sondern vor allem wegen der direkten Fragen, die sie ihren prominenten politischen Gästen stellte.

1989 hatte sie den gleichaltrigen, aber fast unbekannten Sprecher der parlamentarischen Finanzkommission, Dominique Strauss-Kahn, eingeladen. Sie verliebte sich in diesen witzigen Wirtschaftsprofessor und Abgeordneten, der wie sie aus einer jüdischen Familie mit politischen Sympathien für die Sozialisten stammte.

Zwei Jahre später versprachen sie sich bei der Heirat Treue und Beistand in guten und schlechten Tagen. Als DSK 1997 vom sozialistischen Premierminister Lionel Jospin zum Wirtschaftsminister ernannt wurde, gab sie ihre politische Sendung bei TF1 auf, um so Interessenkonflikte zu vermeiden. Kaum zwei Jahre später kam DSK in einer Unterschlagungsaffäre unter Beschuss.

Mit einer verbissen um die Zukunft seiner Karriere kämpfenden Anne Sinclair an seiner Seite reichte er seinen Rücktritt ein. Wenig später wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. Trotz der Rehabilitierung tauchte er erst 2007 wieder auf, als er mit der Protektion seines politischen Gegners, des neuen Präsidenten Nicolas Sarkozy, Generaldirektor des IWF wurde. Seither hatte sie sich auf die nächste Rolle an seiner Seite vorbereitet, für die sie wie geschaffen schien, die einer First Lady im Élysée-Palast.

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